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Der Brombeerpirat

Der Brombeerpirat

Titel: Der Brombeerpirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Straße, und er schloss die Augen.
    »He, Remmer. ›Watt’n Meer?‹ Hast du geübt. Klingt gut.«
    Tido saß bereits hinter den Trommeln, als Remmer die Augen öffnete. Tido war kein Mann der vielen Worte, deshalb kümmerte es Remmer wenig, dass er sich so leise hereingeschlichen hatte. Umso lauter knallten nun die hölzernen Sticks auf die klirrenden Becken, die rasselnde Snare und die dröhnenden Toms. Remmer drückte die Ohropax tiefer in den Gehörgang. Tido spielte sich warm, und das konnte sehr laut werden.
    Remmer sah auf die Uhr, es war gleich halb neun, acht Uhr war ausgemacht. Er hasste Unpünktlichkeit. Jasper wusste doch genau, dass sie heute noch was zu tun hatten. Jede Probe zählte, wenn sie es eines Tages schaffen wollten. Nicht berühmt werden, nur bekannt, nicht unbedingt erfolgreich, nur geachtet.
     
    Watt’n Meer, watt’n Wind, watt’n schöner Inseltag,
    watt’n Gefühl, watt’n Traum, watt ‘ne Sandbank, die ich mag,
    watt’n Blick watt’n Stück vom großen Watt’n Glück,
    einmal richtig angekommen, will ich nie mehr zurück.
     
    Nicht gerade originell, zugegeben, der Text war von Jasper, und der hatte auch schon Anspruchsvolleres verfasst. Aber für diesen Zweck war es genau das Richtige. Und die Norderneyer kannten den Text in- und auswendig: Es war ihre Hymne, ihre Liebeserklärung an die Insel, die von oben aussah wie eine Rohrzange.
    Remmer war kein kleiner Junge mehr, und man hatte ihm schon früh die Flausen aus dem Kopf getrieben. Aber er hatte immer noch den einen Traum: Anerkennung! Einen vernünftigen Probenraum vielleicht oder ein paar Gigs auf dem Festland, vielleicht ein Interview im Regionalfernsehen, egal was. Nur diesen fast vergessenen Bunker am Ende der Insel, eingerahmt von Dünenrosen und Brombeergestrüpp, viel zu malerisch für Rockmusik, den wollte er hinter sich lassen. Er wusste, dass man sie hinter dem Rü cken »Brombeerpiraten« nannte, und er wollte diesen lä cherlichen Beinamen ein für alle Mal los sein.
    Time is money, Jasper, sieh zu, dass du hier antanzt.
    Die Tür öffnete sich, und das rote Abendsonnenlicht fiel durch den Spalt. Er dachte für einen Moment, es wäre Jasper, doch es war das Mädchen. Sie schob sich herein.
    Tido stoppte abrupt inmitten eines gewitterartigen Percussionsolos. Es war sehr still, beide Männer schauten zu diesem blassen, verschreckten, etwas zu groß geratenen Kind an der Tür. Und keiner sagte ein Wort.
    Remmer wurde ärgerlich. Er wollte jetzt endlich loslegen, spielen, Mucke machen, und auf keinen Fall wollte er mit einer von Jaspers magersüchtigen Groupies Probleme wälzen.
    Das Mädchen reichte Tido mit langsamer Bewegung ein beschriebenes Blatt. Remmer hatte sie wohl so wütend angestarrt, dass sie nicht wagte, es ihm zu geben.
    »Es sollte eigentlich für Jasper sein.« Ihre Lautstärke war dem Schweigen näher als dem Reden.
    »Was?«, raunzte Remmer.
    »Das Blatt hier.« Sie schien sich wirklich anzustrengen, damit wenigstens ein einigermaßen verständlicher Satz über ihre Lippen kam. »Ich wollte es eigentlich Jasper geben. Aber der kommt ja wohl nicht mehr, und ich muss jetzt nach Hause.«
    »Das würde ich aber auch sagen, dass du nach Hause musst.«
    Das Mädchen drehte sich im selben Moment um und schlüpfte wieder durch den schmalen Spalt nach draußen. Für einen kurzen Augenblick tat es Remmer Leid, dass er sie so herzlos angemault hatte, das arme kleine Ding, aber es ging ihm eben so auf die Nerven mit Jasper und seinen Pubertätsmäuschen und der ewigen Unpünktlichkeit, außerdem hatte er schlechte Laune wegen der Hitze und wollte jetzt endlich spielen.
    »Was ist es denn? Ein Liebesbrief?«
    Tido hatte den Zettel achtlos beiseite gelegt. »Interessiert mich nicht. Ist schließlich für Jasper.«
    Remmer zwängte sich zwischen Bassdrum und Equalizer hindurch und ergriff das Papier. Rosarotes Umweltschutzpapier. Eine Handschrift, die so gar nicht nach Kind aussah.
    »Es ist ein Liedtext«, sagte er und überflog die Zeilen. »Ruhestörung … von Leefke Konstantin … und gar nicht mal schlecht.«

02.
    Heiter, 27°C im Schatten
    Wencke kannte die Regeln. Immer, wenn alles gut zu laufen schien, kam etwas dazwischen, das ihr die Laune verdarb, oder viel mehr noch, das ihr das Gefühl gab, vom Pech verfolgt zu sein.
    Dieser unglückselige Heiratsantrag hatte sie heute Morgen im Bett bleiben lassen, die leichte Baum wolldecke über den Kopf gezogen, damit die Son nenstrahlen sie nicht zum

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