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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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wage ich nicht zu denken.«
    Mit beiden Händen zeigte Mlaisso auf die Wolke. Das Fackellicht war hell genug, um Karidon erkennen zu lassen, dass der Nehesi aschfahl geworden war und dass seine Finger zitterten.
    »Ich seh's in deinen Augen, Kapitän«, ächzte er. »Du willst nachsehen, was es ist? Was es war?«
    »Gleich nach Sonnenaufgang.« Karidon legte den Arm um Mlaissos Schultern und zog ihn zur Treppe. Die drei Wachen blickten ihnen schweigend nach, immer noch bleich vor Schrecken. »Vielleicht war es ein Glimmerstein oder ein Mondstein. Ich hab mir die Stelle gemerkt, wo er eingeschlagen ist. Ein halber Tagesmarsch, Holx.«
    »Du spielst mit der Gnade der Götter«, murmelte Mlaisso. Holx schwieg. Sie erreichten den Fuß der Treppe, in der breite Risse klafften. Ein Posten gab ihnen eine frisch angezündete Fackel; als niemand zuhören konnte, sagte Karidon leise, drängend:
    »Wenn es Himmelsmetall ist, eine ausreichende Menge, dann sind wir reich. Geht ihr mit, Steuermänner?«
    Holx blieb stehen, legte den Kopf in den Nacken und faltete die Hände am Hinterkopf. Er starrte in die Sterne; mit einem Ausdruck zwischen Staunen und Gleichgültigkeit.
    »Du bist wahnsinnig, Grünauge.« Er schluckte. »Aber ich geh mit dir. Du auch, Nehesi?«
    Mlaisso nickte; den Rest der Zeit, bis sie einschlafen konnten, verbrachte er in tiefem Nachdenken.

    Karidon zog das Kopftuch in die Stirn und blieb zwischen den Trümmern stehen. Sein Körper war staubbedeckt. Am Leder des Stiefels, unter dem Knöchel, fühlte er ein Kribbeln; er blickte hinab und zertrat den Skorpion. Holx schüttelte sich und hob die Hand über die Augen. »War es hier?«
    Sie waren länger als sechs Stunden gegangen, jeder trug zwei schwere Wassersäcke, die Mäntel, Doppeläxte und Kriegskolben über den Schultern.
    Mlaisso blieb neben Karidon stehen und setzte sich auf einen Steinbrocken. »Ja. Hier muss es gewesen sein.«
    In der Flanke eines kleinen Hügels erstreckte sich, vielleicht siebzig Ellen breit, eine Art natürlich entstandener Steinbruch: kantige Felsen voller Risse, hervortretende Brocken und Felsnasen, heruntergebrochene Trümmer und Schutt. Fast in der Mitte, zehn Ellen vom Boden entfernt, sahen sie ein rundes Loch, einen unregelmäßigen Krater, der wie Glasfluss leuchtete und von dessen Rand tiefe Sprünge nach allen Richtungen liefen. Karidon umrundete halb mannsgroße Blöcke und kleinere Trümmer. Plötzlich blieb er stehen und winkte.
    »Kommt her.« Er warf seinen Packen zu Boden, nahm die Doppelaxt und kauerte sich zwischen die Felsen. Mlaisso und Holx stolperten heran. Obwohl die Mittagssonne brannte und der steinerne Irrgarten sich im tiefen, windabgewandten Teil des Hügels befand, schienen die Felsen noch heißer zu sein als sonst irgendwo. Karidon versuchte, mit dem Beil ein Trümmerstück aus dem Geröll herauszuwuchten, das drei Handbreit groß war und aussah, als sei es ein Teil einer zersprungenen Kugel oder eines riesigen Eis. Das Beil rutschte ab, die Kante der Schneide fuhr misstönend über die Bruchfläche und hinterließ eine goldschimmernde Linie.
    »Himmelsmetall!« Karidon bemerkte die Sicherheit in seiner Stimme und fragte sich, warum er nicht daran zweifelte. Er packte das Trümmerstück mit beiden Händen; die Hitze war gerade noch erträglich. Er hob es hoch und legte es auf einen Steinblock.
    »Ungefähr ein keftisches Talent schwer«, sagte er und grinste schweißüberströmt. »Mehr als ein Char.«
    Mlaisso und Holx zogen die Dolche und versuchten, an irgendeiner Stelle dünne Schichten abzuheben, am Rand, wo die nahezu glatten Bruchflächen in den Teil der Rundung übergingen, der rau und rußig, an einigen Stellen wie schwarzes Glas verschmolzen war. Schließlich brach ein Stück von Mlaissos Dolchspitze ab. Er schob den Dolch in die Scheide und drehte die Goldperle im Nasenflügel zwischen Daumen und Zeigefinger; plötzlich wirkte er mürrisch.
    »Du hast recht, Kari. Himmelsmetall!«
    »Keiner von uns kennt das Metall«, sagte Karidon leise. »Es muss ein großes Geschoss gewesen sein, das in die Felsen schlug. Heiß wie schmelzende Bronze. Und dann ist es zerplatzt oder zerbrochen.«
    »Suchen wir die anderen Teile.«
    Länger als zwei Stunden kletterten sie im Geröll umher und fanden noch sechs unterschiedlich große Bruchstücke. Das Geschoss aus der Nacht hatte das Gestein zertrümmert, zu Splittern zerfetzt, zermalmt und geschmolzen. Die Hitze laugte die Kräfte der Männer aus; sie

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