Der Bronzehändler
sie an die richtigen Stellen zu schicken und sie sowie eigene Handwerker durch viele Soldaten bewachen zu lassen, waren die Ursachen des augenblicklichen Durcheinanders, das von Stunde zu Stunde mehr der gewohnten Rômetordnung wich. Holx lachte grimmig.
»Sogar an Dirnenhäuser und Bierbrauer müssen wir denken«, sagte er. »Und dabei, sagt dein goldener Wüstenfalke, ist die Erfahrung seiner besten Bronzehändler unentbehrlich.«
»Die Dienerinnen der Liebe kommen doch nicht etwa aus Men-nefer oder anderen Städten?«
»Vielleicht ihre Anführerinnen.« Holx zog Karidon zu einem großen, sauberen Unterstand. »Er nimmt vom Land, was es hergibt. Hast du sie nicht gesehen?«
»Die Frauen der Nehesi?«
Holx nickte und befahl einem Soldaten durch knappe Gesten, Braten, Brot und Bier zu bringen. Er setzte sich und sagte:
»Morgen oder übermorgen Abend sind wir alle auf der Morgenröte . Mir gefällt's hier heute ebenso wenig wie damals. Aber Gold und Geschenke können wir gut gebrauchen.«
»Wahr gesprochen.« Karidon schnäuzte Sand aus den Nasenlöchern. »Aber jeder Nehesi-Sklave flussauf, flussab kennt und verflucht uns.«
»Auch mit dieser Gefahr, Bronzekapitän, werden wir leben müssen.«
Unterführer, Schreiber und Soldaten brachten bis zum Einbruch der Abenddämmerung schrittweise die gewohnte Ordnung ins Lager und bezogen ihre Posten. Bündel trockener Binsen, mit Öl gefüllt, beleuchteten Lagergassen und Gefangenenpferche, Mückenschwärme stürzten sich in rasenden Wirbeln in die rußenden Flammen. Nachdem sie gegessen hatten, gingen Mlaisso, Karidon und Holx entlang einer Fackelreihe auf den Wachtturm zu.
Die Lagen trocknender Lehmziegel schienen jenseits des Horizonts zu enden. Schatten füllten die Zwischenräume der knisternden Quadern. Mlaisso blieb stehen und grüßte die Posten. »Ich glaube, dass sich die Nomaden von dieser Niederlage so bald nicht wieder erholen können.«
»Was habt ihr von den Gefolterten erfahren?«, sagte Karidon und setzte den Fuß auf die unterste Stufe.
»Wenig genug. Einige Dinge, die weder Sokar-Nachtmin noch den Goldhorus freuen werden.« Mlaisso blieb auf halber Höhe der Treppe stehen und drehte sich um. »Kush und Irtjet, Satju und Wawat, all diese Gebiete ohne klare Grenzen lassen sich beherrschen. Aber ein Vorstoß ins Land Jam wird, sage ich, die Kräfte der Rômet überfordern.«
»Ganz sicherlich im Jahr Acht des Goldhorus. Im Jahr Zwanzig oder Fünfundzwanzig kann er mehr wagen«, sagte Karidon. »Die Nehesi aus Jam drängen nach Norden, stromabwärts. Chakaura weiß das ganz genau.«
»Deswegen auch die Festungen südlich von Iken. Das Land dahinter scheint von Menschen überfüllt zu sein.« Holx-Amr blickte ins südliche Dunkel, in dem das mondlichtglänzende Band des Hapi verschwand; Karidon setzte sich auf die Brustwehr. »Was wisst ihr von fremden Fürsten, von denen die Nomaden aufgehetzt werden?« Er betrachtete die riesige Menschenmenge, deren Geräusche und Gerüche heftiger und durchdringender wurden, je mehr der Wind abnahm. Das Mauerwerk strahlte die Hitze des Tages ab, und die Luft vor den Augen der Posten und Karidons flimmerte.
»Wir wissen nicht viel mehr als das, was wir vor acht Jahren herausgefunden haben«, sagte Mlaisso. »Nichts Wichtiges, nichts von Fürst Abdim oder Anatnetish. Sie verschwinden, ohne dass man sie fassen kann. Mit ihren Namen kann man wenig anfangen: Fürst des Windes, Herr der Pfeile, Goldgepard.«
»Die Gefangenen sagen, die hellerhäutigen Fremden sind zahlreich wie Sandkörner.« Holx blickte zum Halbmond, als läse er dort die Antwort. »Ich hab vielen Soldaten viele Fragen gestellt; sie schätzen, es sind zwei Dutzend.«
»Mit einer Anhängerschaft todesmutiger Kämpfer«, knurrte Mlaisso. »Trotz der Übermacht hat Sokar-Nachtmin zweiundsechzig Männer verloren.«
»Aber keinen Fürsten der Pfeile getötet.« Karidon spürte den ersten kühlen Windhauch aus der Wüste.
»Nein.« Mlaisso schlug mit der Faust auf die Brüstung. »Keinen!«
Kleine Flammen irrlichterten zwischen den helllodernden Binsenbündeln; fackeltragende Soldaten sammelten sich, um ihr Lager weiter flussabwärts zu beziehen. Im milchigen Mondlicht schienen sich die Sandflächen unendlich langsam zu bewegen. Als die Lichter der Soldaten hinter den Bäumen verschwunden waren, lenkte nur wenig Licht die Blicke ab; Sterne und Mond erschienen klarer und größer.
»Wir waren nicht dabei, als der Goldhorus gesiegt hat«, sagte
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