Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
Vom Netzwerk:
Karidon leise. »Wenn er den Sieg feiert, segeln wir schon wieder im Großen Grünen.«
    »Vielleicht befiehlt er uns, mitzufeiern. Oder deine schöne Prinzessin lädt uns ein?«
    »Vielleicht. Wir müssen in jedem Fall in Men-nefer neue Ladung aufnehmen.«
    Zwischen den Sternen des nordöstlichen Himmels strahlte eine weiße Spur auf und wurde länger und gleißender. Sie schien auf den Wachtturm zuzurasen, in wahnwitziger Geschwindigkeit. Karidon verstummte, Mlaisso stieß Holx an und deutete auf die Strahlenlanze des sterbenden Sterns. Alle Geräusche längs des Ufers erstarben, selbst das Lärmen der Frösche und das Mückensirren. Der Hapi begann plötzlich lauter zu rauschen. Die Lichtspur schien einen flachen Bogen zu beschreiben, wie ein riesiger Brandpfeil; jetzt sahen sie eine wabernde Feuerzunge und winzige Funken, die im hellen Streifen hinter dem Kopf verglühten.
    Karidon duckte sich und blinzelte in die Lichterscheinung. Seit das Licht zwischen den Sternen entstanden war, waren nur wenige Herzschläge vergangen. Die Bahn führte abwärts, die sonnenhelle Spitze schien sich selbst aufzuzehren, blitzte über den Turm hinweg und endete im Südwesten der Wüste. Alles geschah gleichzeitig: das Leuchten, das Beben des Bodens, ein kreischendes Pfeifen, das von überallher gleichzeitig zu kommen schien, Jaulen, Heulen und Wimmern aus tausend Kehlen, als begänne die Wüste zu schreien.
    Der Boden zitterte, die Soldaten fielen von den Stufen, aus der Brüstung des schwankenden, knirschenden Bauwerks brachen Stücke. Karidon, Mlaisso und Holx wurden von den Füßen gerissen, taumelten zwischen den Mauern hin und her, wurden zu Boden geschleudert. Einen Herzschlag später dröhnte ein unwirklich lauter Donnerschlag auf, in dessen ohrenbetäubendes Echo das schneidende Kreischen mündete; Laute, die niemand je gehört hatte. Das Pfeifen von überall schmerzte in den Ohren und schien die Schädel zu zersprengen. Karidon und Mlaisso kamen auf die Füße und starrten nach Westen. Der Wachtturm hörte zu zittern und zu schwanken auf.
    Das Kreischen riss ab. Der Ton hallte in den Ohren nach. Im Mondlicht brodelte beängstigend schnell, ähnlich einer Wasserfontäne, eine dunkle Wolke in die Höhe. Das Echo des Donners rollte über das Land. Karidon klammerte sich an die Brüstung und sagte sich, dass die Wolke, deren oberer Teil sich ausdehnte, aus Sandstaub bestehen müsse. Durch das Sirren in seinen Ohren verstand er undeutlich, was Mlaisso rief: »Ein Stern ist zerbrochen. Etwas kam aus dem Himmel. Ein Omen? Für Chakaura?«
    Karidon versuchte, im Mondlicht mehr zu erkennen. Er merkte sich die Richtung und schätzte die Entfernung. Dort gab es nur Sand und Felsen. Er steckte die Finger in die Ohren und versuchte, das grelle Klingeln loszuwerden.
    »Aus dem Himmel.« Er blickte in Holx-Amrs und Mlaissos schreckensstarre Gesichter. Seine Finger zitterten, seine Knie wurden weich. Er lehnte sich gegen die Brüstung; noch immer schrien Tausende Menschen vor Furcht. »Es war, als wäre ein Felsen heruntergestürzt.«
    »Felsen brennen und leuchten nicht.« Mlaisso wischte sich Schweiß aus dem Gesicht. »Ein Wunder. Doch ein Zeichen für Chakauras Sieg?«
    »So werden es die Nehesi glauben und weitererzählen«, sagte der Steuermann. Das grelle Rauschen in den Ohren ließ nach. Die Staubwolke wuchs in die Höhe und Breite und trieb näher. Ihre Umrisse zerfaserten, die einem schlanken Pilz geglichen hatten. Die Soldaten klaubten schmorende Fackeln aus dem Sand, starrten zum Himmel und betrachteten furchtsam die näherkommende Wolke, die im Mondlicht seltsame Formen annahm. Karidon holte tief Luft und zeigte darauf.
    »Bisher hab ich es für üble Aufschneiderei gehalten. Himmelsmetall, so erzählen Händler, wird im Sumererland geschmiedet. Asium oder Amutum nennen sie's, oder Sir, wenn es aus dem Himmel fällt. Das haben die Händler in Djarh erzählt.«
    »Du glaubst doch nicht etwa ...« Holx schüttelte Sand aus seinem Schurz und lehnte sich neben Karidon an die wuchtige Brüstung. »Ich hab davon gehört. Soll fünfmal so wertvoll wie Gold sein, oder – bis zu vierzigmal wertvoller als Silber.«
    Der Boden bebte nicht mehr, die Staubsäule kroch vor den Mond; das Geschrei hörte auf. Karidon zuckte mit den Schultern und schlug mit der flachen Hand leicht in Mlaissos Nacken.
    »He, Steuermann! Das Himmelsding hat uns nicht umgebracht. Hör auf zu zittern. Wenn es wirklich Himmelsmetall sein sollte – nein, daran

Weitere Kostenlose Bücher