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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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sagen hören: Unser Herr hat den Brief gelesen, aber er hat ihn nicht wirklich bekommen. Werde ich jetzt gestraft, Herr im Per-Ao?«
    »Wie heißt du?«, sagte Chakaura. Seine Stimme schien weich und voller Anteilnahme.
    »Senthibi, Herr.«
    »Geh in die Palastküche, Senthibi.« Sokar-Nachtmin und Ikhernofret hörten zu; ihre Gesichter wirkten wie erstarrt. Tama-Hathor-Merit hob lächelnd die Weinschale. Chakaura sprach leise. »Trink und iss. Sag dem Verwalter aller Töpfe und Kessel: es ist mein Befehl. Er soll dir neue Sandalen und einen feinen Schurz geben, und ein weiches Nachtlager. Morgen sollst du zum Mächtigen Tatji gehen, der vielleicht eine neue Aufgabe für dich hat. Geh jetzt.«
    Der Bote berührte noch einmal das Gras mit seiner Stirn und trabte nach links davon. Der Geruch des verschwitzten Körpers verwehte. Chakaura spreizte die Finger und legte die Hand auf den weißgoldenen Falken. An seiner Stimme, sagte sich Nachtmin zufrieden, konnte man einen Meißel schleifen.
    »So haben wir's, leider, erwartet. Sokar-Nachtmin! Oberster Feldherr meines winzigen Heeres! Lass zweihundert gute Männer hier in Itch-Taui. Geh mit dem Rest in den Ibisgau, der nicht sonderlich ausgedehnt ist. Durch die Wüste, auf geheimen Pfaden. Beim ersten Strahl Atums habt ihr den Kreis um die Häuser geschlossen; geht behutsam vor. Tötet nur, wenn ihr töten müsst.« Er winkte eine hellhäutige junge Frau in durchscheinendem Leinen und klirrendem Schmuck herbei und berührte die Ränder der leeren Henketbecher. »Die Bauern, Fischer oder Gartenarbeiter: Lasst sie in Frieden.«
    Sokar-Nachtmin beugte den Oberkörper. Auf seinem dunklen Gesicht stand ein starres Lächeln; seine Augen funkelten. Von der Mauer schwangen sich zwei krächzende Kraniche in die Luft.
    »So wird es geschehen, Herr«, sagte er. »Ich gebe dir aber zu bedenken: wenn wir erfolgreich gegen die Soldaten mancher Sepat-Herren kämpfen müssen, brauchen wir bessere Waffen. Waffen aus Bronze. Willst du Fürst Nikaure in Fesseln vor deinen Füßen?«
    »Es wird im Verlauf des erbitterten Kampfes um seinen palastähnlichen Gutshof zweifellos Opfer geben.« Chakaura lächelte kalt. »Bedauerlicherweise wird sich Nikaure der Gefangennahme zu entziehen versuchen. Ein Unglück; er wird wohl von einem verirrten Pfeil getroffen.«
    »Peser, Herr.« Nachtmin starrte in den schwarzpurpurnen Himmel, in dem sich eine Wolke, zart wie eine Feder, aufzulösen begann. Bräunlicher Schaum tropfte über die Becherränder; die schlanke Sklavin schien nichts zu sehen und zu hören außer Chakauras schöner Schwester. »Er kann nicht mehr schnell laufen, aber mit dem Bogen – ein Geschenk vom Karidon aus Kefti – ist er wie ein Gott.«
    »Der Horus des Horizonts kann sich auf dich verlassen?«
    »Er muss nur befehlen, wann wir anfangen sollen, die Unbotmäßigen auf den holprigen Pfad der ewigen Gesetze zu schleifen.«
    »In drei Tagen? Beim Morgengrauen. Dein Bote im Binsenboot sollte schneller sein als Ikhernofrets rennende Späher. Im Lagerhaus des Palastes sind einige Nechoschetwaffen. Nimm, was du brauchst.«
    Nachtmins flache Hand krachte gegen das weiße Leder der Zierrüstung, über seinem Herzen.
    »Wenn ich den trockenen Boden dieses Bechers sehe, Herr, renn ich zu meinen Leuten. Ein Teil des Heeres bleibt bei den Schleusen des Hapinebenarms, um das erstaunliche Dutzend der Horus zu empfangen und zu geleiten?«
    Chakaura schwenkte den Becher und klatschte die linke Hand auf seinen Oberschenkel.
    »Noch einer«, murmelte er und grinste, »der es weit bringen wird in den Jahren der Bronze.«
    Seine Augen, dunkel wie Granit, hefteten sich über dem Rand des Bechers auf den jungen Feldherrn. Nachtmin bewegte die wulstigen Schultermuskeln, leerte den Becher und verbeugte sich tief. Er hob die Hand, grüßte den Tatji und ging krummbeinig, mit langen Schritten über das Gras davon, hinüber zu den Wohnräumen seiner Männer, zu Lagerhäusern, in denen Waffen lagerten. Chakaura schwieg einige Atemzüge lang, musterte Mudnedjemet, winkte lächelnd und wartete, bis sie auf dem Hocker links von seinem Knie saß.
    »Erst dann, wenn Einigkeit und Einheit längs des Hapi herrschen, wage ich den nächsten Schritt. Stimmst du mir zu, Freund meines Vaters?«
    »Ich sagte es schon, ich wiederhol's: du hast in fünfundfünfzig Tagen gelernt, wozu dein Vater – Re, Chons, Nut und She mögen seine Barke begleiten! – ein Jahrzehnt gebraucht hat. Ich will und werde dir nicht

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