Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner

Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner

Titel: Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W Bauer
Vom Netzwerk:
sich Wagner in der Stadt heimisch fühlt, endlich vorbei das Wanderleben, ein Städter ist er jetzt und lässt sein Selbstverständnis rahmen. Winters versammelt er die Seinen um sich in der beheizten Wohnstube unter der Familiengalerie. Schwere Truhen hat er tischlern lassen, reich mit Ornamenten und Beschlägen geschmückt, im Erker hängt das Wappen. Wenn es dann in die kalten Schlafkammern geht, faltet jeder von allein die Hände. Immerhin, die neuen Bettladen sind komfortabel. Auf Wachskerzen wie bei Hof verzichtet Wagner, er will ja nicht anmaßend sein und nimmt den erbärmlichen Gestank der Talgkerzen in Kauf.
    Viel liegt ihm am Auftreten seiner Familie. Die Barbischin hat sich herauszuputzen, ehe sie das Haus verlässt, ein Geschmeide und zahlreiche Ringe nennt sie ihr Eigen, Kleider hat sie zuhauf. Die Kinder müssen sich geziemend benehmen und vor allem wohlgenährt sein, auf dass kein Nachbar falsche Schlüsse ziehe. Zweimal die Woche gibt es ein Stückchen Fleisch in der Mittagssuppe, am Sonntag einen Braten. Freitag und Samstag wird gefastet mit Dampfnudeln und Strauben. Nichts sehnen Jakob Christoph und seine Schwestern so herbei wie den Kirchtag, da werden ihnen „mare Kiechel“ aus Butterteig kredenzt. Am Ostersonntag sind die Eier nebensächlich, denn es steht Maibutter auf dem Tisch, Rahm mit Zimt und Zucker bestreut.
    Hurenkinder sind zu vermeiden. Entsetzt blickt Jakob Christoph seinen Vater an. Wagner krümmt sich vor Lachen. Als er sich wieder beruhigt hat, erklärt er seinem Sohn die Grundbegriffe der Typographie – und dass die letzte Zeile eines Absatzes nie auf die nächste Seite rutschen darf! Dass in wissenschaftlichen Werken der Text zweispaltig auszuführen ist! Dass man als Auszeichnungsmittel im Antiquasatz Kursiv oder Kapitälchen verwenden kann! Ob er sich schon eingehend mit den verschiedenen Schriftarten befasst habe, fragt Wagner seinen Sohn.
    Jakob Christoph nickt eifrig. Die Antiqua mit ihren gerundeten, gleichmäßigen Bögen der Buchstaben, mit den gebrochenen Bögen die Fraktur, die ein Wort wie aus einer Schreibbewegung –
    Schon gut. Wagner unterbricht die Litanei, freut sich aber über den Eifer des Sohns.
    Neugierig verfolgt Jakob Christoph die Handgriffe seines Vaters. Gerade druckt er ein neues Werk:
Leben und Wunderwerck deß Indianischen Apostels S. Francisci Xaverii
.
    Viel weiß Wagner seinem Sohn von dem Missionar nicht zu sagen, ein Spanier vermutlich, auf jeden Fall ein Jesuit. Er sei ein Freund des Ignatius von Loyola und Mitbegründer des Jesuitenordens gewesen. In Indien habe dieser Franciscus Xaverius gewirkt – im Auftrag des Papstes. Und nun möge er so gut sein und keine dummen Fragen mehr stellen, herrscht Wagner seinen Sohn an. Er sehe doch, die Arbeit fordere volle Konzentration. Schon bringt Wagner den Untertitel in Satz, Buchstabe um Buchstabe, Wort für Wort:
Anfänglich in Italianischer Sprach auß der weitläuffigeren History gezogen. Anietzo aber ins Teutsch versetzt
.
    Im Aberglauben steht die Barbischin der Maria Gäch um nichts nach. Auch die Töchter schenken dem Brimborium zu viel Aufmerksamkeit, ärgert sich Wagner. Zu lebendig ist noch die Erinnerung. Fünfzehn war er und trieb sich gerne mit seinen Freunden in der Nähe der Fuggerei in Augsburg herum. Natürlich kannten sie Paulus Braun, den Vogelhäuselmacher, allein sein Beruf sorgte bei ihnen für Gelächter. Das jedoch blieb ihnen im Hals stecken, als Braun seine elfjährige Tochter Maria anzeigte.
    Binnen weniger Tage wusste man in der Stadt über die Vorkommnisse bei Braun Bescheid. Er hatte sieben Kreuzer bei seiner Tochter gefunden. Das Geld sei vom Teufel, rechtfertigte sie sich. Sie sei in Begleitung ihrer Base und einer buckeligen Hexe auf der Gabel zum Tanz ausgefahren. Tatsächlich hatte ihr Vater die Gabel im Schuppen gefunden, sie sogleich zerhackt und verbrannt. Indessen war Maria Braun dem Eisenmeister vorgeführt worden. Zunächst hatte sie ihre Base beschuldigt, dann aber plötzlich behauptet, sie sei mit ihrer Mutter Dorothea ausgefahren, zweimal auf einer Katze, einmal auf einem Geißbock, dem sie sogar einen Kuss hätte geben müssen. Die Behörden hatten dem keinen Glauben geschenkt und das Kind als gottlos, böse und lügnerisch beurteilt. Dennoch sahen sie sich gezwungen, Dorothea Braun „in die Eisen zu legen“.
    Dorothea Braun war bei den Augsburgern beliebt, sie hat sich in der Fuggerei um Kranke und Gebrechliche gekümmert, erzählt Wagner der

Weitere Kostenlose Bücher