Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
toben Wildbäche und reißen ungeheure Mengen Geröll mit sich. Stündlich steigt der Pegel des Flusses, brüllend wälzt er Bäume und Kronen mit sich, zerstörte Brücken und Stadel, Mühlenräder, Fuhrwerke. Das Getose ist so laut, dass sich die Barbischin die Ohren zuhält. Ängstlich blickt sie herum.
Die Stadt wird dichtgemacht, die Kellerfenster werden mit Brettern und Dung verstopft. Schon schießen gelbbraune Bäche durch die Altstadtgassen, die Bürger flüchten in die oberen Etagen ihrer Häuser.
Im Juli 1669 hat der Inn eine Breite von drei Kilometern. Das ist ein Zeichen, sagt die Barbischin und kämpft gegen Tränen an. Ihr Sohn widerspricht, es werde Zeit, dass die Vernunft regiert. Wagner schweigt.
3
Endlich hat die Stadt eine Universität. Im Jahr ihrer Gründung tritt Jakob Christoph an die Spitze der Offizin. Wagner überfliegt das Druckverzeichnis seines Sohnes, Traktate, Disputationen – Eine der Abhandlungen lässt ihn aufstöhnen, von einer Katastrophe ist in dem Druckwerk die Rede. Ausgerechnet am Tag des Heiligen Alexius, dem Schutzpatron gegen Erdbeben, Blitz und Unwetter, sorgen heftige Erdstöße für Panik in der Stadt. Gegen zwei Uhr nachts beginnt das Unheil, die Kirchenglocken läuten vor Erschütterung, Kamine stürzen ein. „Viele Gewölbe werden aufgerissen und zerstört“; im nahen Hall finden acht Menschen den Tod. Wie die Barbischin das Unheil interpretiert, kann sich Wagner vorstellen, ganz zu schweigen von –
Um die Societas Jesu muss sich Jakob Christoph mehr kümmern, das kann böse enden, grollt Wagner. Dass sein Sohn auf den Kalenderdruck setzt, verrät hingegen einen guten Lehrherren. Er hat verstanden, was Einkünfte verspricht. Und das Geschäft floriert. Wie sollte es Jakob Christoph sonst möglich sein, ein Haus nahe der Pfarrkirche zu erwerben? Damit ist man endlich den Nachbarn los. Wie oft hat der Scherereien gemacht. Sogar angezeigt hat er Wagner, er möge die „Ausgießung der Unflatereien“ unterlassen. Was war der Mann doch pingelig.
In der Kirchgasse 4 richtet Jakob Christoph die neue Offizin ein. Den Ankauf erleichtert nicht zuletzt eine Eheschließung. Jakob Christophs Frau bringt Kapital mit ins Geschäft. Das ist ganz nach Wagners Geschmack.
Selbst bei den Innsbruckern scheint allmählich durchzusickern, dass die Buchbranche der Stadt zur Ehre gereicht. Viel hätte Wagner darauf gewettet, dass das niemals so sein würde. Nun aber macht sein Sohn Karriere, wird Stadtrichter und zieht durch die Gassen wie einst –
Das Unternehmen, dem Jakob Christoph vorsteht, hat längst eine Monopolstellung inne. Kaiserliche Privilegien machen es möglich. Zwar sind die Sonderrechte auf eine Gültigkeit von zehn Jahren und einen Geltungsbereich von zehn Meilen rund um Innsbruck beschränkt, aber fortan solle niemand anderer „als Wagner allein zu truckhen nach Belieben und – yedoch in billichen Preiß – zu verkhauffen befuegt sein.“
Doch halt! Ein Konkurrent naht, die Jesuiten unterstützen den Neuen. Hatte er seinem Sohn nicht eingetrichtert, wie wichtig die Kontakte zu den Ordensmännern sind? Ein Glück, dass er diese Frau an der Seite hat. Finanziell ist ihm der Rivale nicht gewachsen, er blutet Reisacher aus, der muss bald beim Stadtrat um ein Almosen betteln.
Wagner blickt auf, sieht seinen Sohn ein zweites Mal vor den Traualtar treten. Nach dem Tod der ersten Frau ehelicht Jakob Christoph die Tochter des –
Herrje, der alte Winkler, was hätte er wohl dazu gesagt, dass seine Maria Elisabeth einmal einen Wagner heiratet.
Man verscherze es sich nie mit den Apothekern, hatte Wagner seinem Sohn mit auf den Weg gegeben. Der Gelehrtenkreis gehöre seit jeher zum beständigsten Klientel einer Offizin.
Im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit – „Den 20. Octobris Anno 1696 ist meine geliebteste Hausfrau Maria Elisabeth geborene Winklerin ihrer ersten Leibesfrucht glücklich entbunden und mit einem Sohn erfreut worden, im Planeten der Sonnen, des Zaichen des Löwens, im letzten Viertl des Monds, umb 1 ¼ Uhr nach dem Mittag Essen.
Ist diesen Abend in meinem Zimmer durch den hochehrwürdig und hochgelehrten Herrn Wolffgang Reitter S.S. theol. Doctori, und dermaligen Pfarr Cooperatorn allhier und mit dem Namen Michael Antoni getauft: und von dem Herrn Caspar Boveth, Bürgern des Äußeren Rates und Handls Herrn alda, als Gevattern erhebt worden. So einen erzherzogl. Sigismundisch Dugatn in die Fätschen verehret hat.
Gott verleihe seinen
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