Der buddhistische Mönch
Aufzug erklärt mir der Wachmann, warum die Wohnungstür einige Tage zuvor gewaltsam geöffnet wurde: Immer neue Männer, hauptsächlich farang und Japaner, hatten sich an der Rezeption besorgt darüber geäußert, dass sie sie nicht erreichen könnten. Und normalerweise verschmähte sie solche geschäftlichen Gelegenheiten nicht.
Der Mann lässt mich mit einer Schlüsselkarte in die Wohnung, tritt aber selbst nicht ein. Es ist ihm nicht peinlich, seine Geisterphobie zu gestehen; vielmehr bedenkt er mich mit einem merkwürdigen Blick – liegt es an meinem farang- Erbe , dass ich bereit bin, ganz allein über die Schwelle zu treten?
Sobald sich die Tür hinter mir schließt, empfinde ich das gleiche Gefühl der Trostlosigkeit, das sich bei meinem letzten Besuch einstellte. Natürlich war ich oft hier, als die Leidenschaft noch die Macht besaß, die weißen Wände rosig zu färben. Doch selbst in solchen Momenten fiel mir die Kargheit der Wohnung auf. Alle Prostituierten, die ich kenne, besitzen mindestens ein Kuscheltier – nur nicht Damrong. Und es findet sich auch kein einziges Foto von ihr in dem Apartment, was erstaunlich ist bei einer so schönen Frau.
Sie lag nackt auf ihrem Bett, mit einem leuchtend orangefarbenen, etwa einen Zentimeter dicken, tief in ihrem Nacken vergrabenen Seil; ich muss all meinen Mut zusammennehmen, um das Schlafzimmer zu betreten.
Erinnerungssplitter an wilden, hemmungslosen Sex wirbeln durch mein Gehirn; sie stehen in deutlichem Kontrast zu dem sterilen weißen Raum. Damrong war sehr reinlich und mochte den Schweiß und den Geruch des Sex letztlich nur dann, wenn sie sich darin verlor. An der gegenüberliegenden Wand hängt noch immer das Foto eines großen, angreifenden Elefantenbullen; dies ist das einzige Bild in der ganzen Wohnung. Als ich sie einmal nach dem Sex fragte, warum es sich an der Wand befinde, antwortete sie lachend und mit unverhohlenem Sarkasmus, das Tier erinnere sie an mich.
Ihre Grausamkeit fehlt mir nicht, aber dass es diesen unbeugsamen Geist nicht mehr gibt, ist ein Verlust für die Welt. Das leuchtend weiße Kissen liegt auf dem leuchtend weißen Laken, das zurückgeschlagen aussieht wie ein Verband. Sie liebte harte Betten, was bedeutete, dass die Matratze sofort nach dem Entfernen der Leiche wieder ihre ursprüngliche Form annahm. Keine Blumen, keine Tapete, kein Schmutz, kein Leben. Der Hinweis liegt darin, dass es keine Hinweise gibt, murmle ich, einer Zen-Anwandlung nachgebend, aber letztlich hat der Satz sogar seine Richtigkeit. Die Küche präsentiert sich noch makelloser als das Schlafzimmer. Als ich eine Schublade herausziehe, fällt mir ein, dass sie, die so viele Männer hier empfing, von allem nur ein Exemplar besaß: einen Löffel, eine Gabel, ein Paar Essstäbchen. Trotzdem war sie nicht geizig. Untypisch für eine Thai, zahlte sie ihre Mahlzeiten selbst, wenn wir ausgingen. Sie gab mir das Gefühl, mehr Geld zu haben als ich; ziemlich oft kam ich mir vor wie die Nutte.
Bei der Untersuchung des Türschlosses kann ich keine Spuren von Gewalteinwirkung entdecken. Als die Mörder die Leiche hierher brachten – dazu war bestimmt mehr als eine Person nötig –, benutzten sie offenbar Damrongs Schlüsselkarte. Aber wie gingen sie vor? Rollten sie sie in einen Teppich oder schleiften sie sie aufrecht mit wie eine Betrunkene? Offenbar wurde mindestens einer der hübsch gekleideten Wachleute bestochen, damit er nicht so genau hinsah und auch bei der späteren Vernehmung stumm bleiben würde. Nein, das ist nicht der Tatort; ihre Leiche wurde zur Irreführung der Polizei hier deponiert. Ich schließe die Wohnungstür hinter mir, froh darüber, dass ich es geschafft habe, den Kontakt mit ihrem Geist zu vermeiden.
Der nächste Schritt ist ein Besuch bei Damrongs Familie. Sie stammte aus Isakit, dem ärmsten Teil der ärmsten Region Thailands im Nordosten, Isaan. Ich selbst bin nicht bereit für die Reise, aber die Pflicht gebietet, einen örtlichen Polizisten mit diesem Auftrag zu betrauen. Also weise ich die Vermittlung an, die Damrongs Heimatdorf nächst gelegene Polizeistation ausfindig zu machen. Nach einer Weile meldet sich am anderen Ende der Leitung eine schroffe ländliche Stimme. Der Mann weiß, dass ich von Bangkok aus anrufe, redet aber im örtlichen Dialekt, einer Unterart des Khmer, sodass ich ihn bitten muss, ins Thai zu übersetzen, doch darum drückt er sich elegant. Irgendwann gelingt es mir, ihm das Versprechen abzuringen, dass
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