Der buddhistische Mönch
»Tja, das ist nicht so einfach, Junge«, erklärte er. »Und sonderlich viel mit Talent hat es auch nicht zu tun.«
Das wusste Yammy bereits. Würden die Studios Jahr für Jahr den gleichen Schrott produzieren, wenn Talent wichtig wäre? Nun, manchmal gelang sogar in Hollywood etwas richtig gut, aber Yammy interessierte der amerikanische Markt nicht; er wollte nach Japan zurückkehren, sobald er seine Fähigkeiten perfektioniert hätte. Seine Vorbilder waren Akira Kurosawa, Teinosuke Kinugasa, Sergei Eisenstein, Vittorio De Sica, Ingmar Bergman und Luis Bunuel – Kinogenies, von denen die meisten Leute in Hollywood noch nie etwas gehört hatten, nicht einmal auf der Filmhochschule. Und Yammy ahnte, dass seinem Erfolg in Kalifornien ein weiteres, vermutlich unüberwindliches Hindernis im Weg stand. Schließlich drehten er und sein Team zu der Zeit gerade in Kolumbien einen Werbespot für Parfüm, den man genauso billig und sehr viel einfacher auf einem Berg in Colorado hätte machen können. Wie Yammy es in einem Fax an einen Freund in Sendai ausdrückte: »Erstens schnupfe ich kein Kokain, zweitens nehme ich kein Koks, drittens ist mir Schnee schnuppe. Alle hier halten mich für einen FBI-Spitzel.«
Jeden Abend nach Abschluss der Dreharbeiten absolvierten er und sein Regisseur das gleiche Gesprächsritual, während dieser ziemlich lange Linien weißen Pulvers auf einer Marmortischfläche arrangierte.
»Es ist eine Geldfrage«, erklärte der Regisseur. »Für einen unabhängigen Kunstfilm braucht man potente Investoren, denen es nichts ausmacht, auch mal ein paar Millionen Dollar in den Sand zu setzen. Kennst du jemanden, auf den diese Beschreibung zutrifft?«
»Ja«, antwortete Yammy.
»Dealer«, sagte der Regisseur, hielt sich ein Nasenloch mit dem Zeigefinger zu und beugte sich über den Tisch. »Weißt du, wer die Dealer in der Hand hat?«
»Ja«, sagte Yammy.
»Weißt du auch, wer die Mafia in L. A. in der Hand hat?«
»Die Drogenbehörde«, antwortete Yammy.
Als sie wieder in Kalifornien waren, beschloss der Regisseur, dem talentierten jungen Japaner seine große Chance zu geben. Die Party fand auf einem abgelegenen Anwesen irgendwo in der Wüste statt, das alle wichtigen Filmleute kannten. Yammy erinnert sich noch heute an Männer und Frauen, die mit suppentellergroßen Augen einen weißen Berg in der Mitte des Banketttischs anstarrten. Fast nackte Mädchen und Jungen und Dutzende von Schlafzimmern standen zur Verfügung, aber die meisten Gäste konnten sich nicht von dem weißen Berg losreißen. Bereits nach fünf Minuten rannten alle außer Yammy ohne mit der Wimper zu zucken gegen Möbelstücke und redeten Unsinn.
»Über den Leiter der Drogenbehörde in L. A. brauchst du dir keine Gedanken zu machen«, meinte der Regisseur, der sich Yammy mit unsicheren Schritten von hinten näherte. »Der muss ja irgendwoher erfahren, wen er in Kolumbien und Bolivien ausschalten soll, und von wem tut er das wohl, wenn nicht von der Mafia in L. A., die den Stoff in rauen Mengen kauft? Wenn er die auffliegen lässt, verliert er seine Informationsquelle. Deswegen ist der Boss heute hier.« Vermutlich hatte der Regisseur das Gefühl, diskret zu nicken, als er wie ein wieherndes Pferd den Kopf in Richtung eines klein gewachsenen, korpulenten Mannes auf der anderen Seite des Tischs schüttelte, der sich gerade eine Handvoll von dem weißen Berg holte. »Das ist Freiheit.«
Am nächsten Tag kam Yammy deprimiert, weil er die Chance zur Karriereförderung bei der Koksorgie nicht genutzt hatte, zu dem Schluss, dass er einfach nicht das nötige Zeug zum Erfolg in L. A. hatte, und packte seine Siebensachen. Wieder daheim bei Mama in Sendai, rief er seinen einzigen Freund in der Tokioter Filmindustrie an, dem es gelungen war, einen Film über einen psychotischen Piercer und Massenmörder zu drehen, der am Ende für seinen Hamster sein Leben lässt. Der Streifen floppte, aber was machte das schon? Immerhin hatte er einen Kunstfilm in seinem ansonsten sinnlosen Leben zustande gebracht. Yammy besuchte ihn im Tokioter Stadtteil Shinbashi.
»Hör zu«, meinte sein Kumpel nach fünf Flaschen Sake, »heutzutage gibt’s nur eine Möglichkeit, einen guten Film zu machen, und die sieht so aus: Such dir einen Investor …«
Yammy fiel es nicht schwer, den Satz zu Ende zu führen.
Nun, farang, den Rest kannst du dir wahrscheinlich denken, obwohl alles sich in japanischer Zeit abspielte, was bedeutete, dass der gute Yammy
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