Der buddhistische Mönch
Heuchelei«, erkläre ich.
Doch Gangster von Vikorns Kaliber besitzen die Begabung, Gelegenheiten zu erkennen, wo gewöhnliche Sterbliche nur Dunkelheit sehen. Er schüttelt den Kopf, als wäre ich ein armer Trottel, der nicht in der Lage ist, einen Tausender aufzuheben, der vor ihm auf dem Boden liegt.
»Nein, auf Masturbation«, korrigiert er mich, reibt sich die Hände und nimmt die Pose eines Landschulmeisters ein. »Tja, worauf warten wir noch? Lass uns einen Film drehen.«
»Keine Chance. Das begreifen Sie nicht. In amerikanischen Pornos wimmelt’s vielleicht von Silikontitten und Lippenstift auf Schwänzen, die meisten Frauen haben Pickel auf dem Arsch, und die Schauspieler sind möglicherweise noch schlechter als die unseren« – ja, ich gebe zu, dass ich selbst hin und wieder in amerikanische Produktionen hineinschaue, genau wie du, farang, oder? –, »aber die künstlerische Gestaltung ist erstklassig. Die Kameraleute wollten für gewöhnlich früher richtungweisende Arthouse-Filme machen. Sie benutzen Weitwinkel, Zoom, Schwenks, Überblendtechnik, Zeitlupe und Großaufnahmen von Körperteilen, wie man sie selber noch nicht gesehen hat. Das sind Vollblutprofis. Mr. und Mrs. Wichs aus Utah kaufen keine billigen Streifen, die irgendwo in einem Hinterzimmer an der Soi 26mit ’ner Handycam gedreht wurden. Die sind Besseres gewöhnt.«
Mein Herr und Meister reibt sich das Kinn, während er mich fragend mustert. »Was ist ein Arthouse-Film?«
Ich kratze mich am Kopf. »Das weiß ich auch nicht so genau. Ein Fachausdruck aus der Branche. Wahrscheinlich ein Film, der sich verkaufen soll, indem er vorgibt, nicht kommerziell zu sein.«
»Woher kenne ich denn diesen Satz?«
Ich will seine Frage gerade beantworten, als mir klar wird, wie weit voraus der Colonel mir wieder einmal ist. Wir wechseln einen Blick.
»Yammy«, sage ich. »Aber der wartet im Gefängnis auf sein Verfahren, bei dem er zum Tod verurteilt wird, dafür wollen Sie doch sorgen.«
Vikorn hebt Hände und Schultern. »Was bedeutet, dass jetzt der beste Augenblick wäre, ihm einen Deal anzubieten, oder?«
Resigniert akzeptiere ich, dass ich jede Möglichkeit verspielt habe, heute im Fall Damrong weiterzukommen. Sorry, farang, ich fürchte, ich muss abschweifen.
5
Als der in diesem Fall zuständige Beamte habe ich die gesamte Yammy-Akte im Kopf. Auf der Taxifahrt nach Lard Yao gehe ich gedanklich die Fakten durch.
Yammy stammt aus einer Familie der unteren Mittelschicht in Sendai; sein Vater war Salaryman für Sony, seine Mutter eine traditionelle japanische Hausfrau, die höllisch gute Walfischsteaks mit Seetang kochte. In jungen Jahren wurde Yammy stark geprägt von den Sony-Kameraprototypen, die sein Vater mit nach Hause brachte. Schon kurz nach dem Gehen lernte er den Umgang damit, meisterte dafür aber nie wirklich die Kunst der verbalen Kommunikation. In einer introvertierten Kultur wie der japanischen spielte das keine große Rolle, aber leider beherrschte er auch den geschriebenen Ausdruck nicht sonderlich gut. Doch egal: Sein Vater, der sich der deprimierenden Folgen eines angepassten Lebens nur zu bewusst war, erkannte etwas Geniales im Unvermögen seines Sohnes. Unter großen Opfern brach die Familie ihre Zelte ab und zog nach Los Angeles um, wo Yammys Mangel an schulischer Bildung nicht weiter auffiel und sein Vater ihn so bald wie möglich auf die Filmhochschule schickte. Alles lief gut bis zu einem Ausflug nach San Francisco, wo Yamahato Senior als erster Tourist seit zwei Jahrzehnten von einer Straßenbahn überrollt wurde. Yammys Mutter investierte das Geld von der Lebensversicherung in die weitere Ausbildung ihres Sohnes, weigerte sich aber, noch eine Minute länger in Amerika zu bleiben. Auch ohne seine Mutter und ihre köstlichen Seetang-Walfischsteaks gelang es Yammy dank seiner fotografischen Begabung bald, sich als Kameramann in Hollywood einen Namen zu machen.
»Super«, lobte sein Lieblingsregisseur ihn. »Du besitzt diesen asiatischen Blick fürs Detail, dein Ego behindert die geschäftliche Seite nicht, und du hast ein Gefühl für künstlerische Perfektion. Du wirst’s noch zu was bringen in der Werbung.«
»Ich will aber nicht in die Werbung«, erwiderte Yammy. »Ich möchte einen Spielfilm drehen.«
Der Regisseur, der früher – wie der erste, zweite und dritte Kameramann, der Oberbeleuchter, der Tontechniker und der Kabelhelfer – ebenfalls Spielfilme hatte machen wollen, schüttelte traurig den Kopf.
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