Der buddhistische Mönch
Wenn der Typ in dem Streifen nicht aus den Vereinigten Staaten oder Kanada kommt, fress ich ’nen Besen.«
»Eine Hollywood-Produktion?«
»Ich würde mit der Suche in Kalifornien beginnen, allerdings nicht in Hollywood, sondern eher im San Fernando Valley, bei ’ner Produktionsfirma mit internationalen Beziehungen. Das lässt sich unter Umständen mit Nachforschungen fürs FBI verbinden.«
»Wonach würdest du Ausschau halten? Der Mann im Film trug doch eine Maske.«
»Die Augenlöcher sind ziemlich groß, und von jedem, der in die Staaten einreist, werden biometrische Daten erfasst. Gib mir ’ne Kopie von der DVD, dann setz ich unsere Spezialisten auf die Sache an. Wenn es ihnen gelingt, eine ordentliche Vergrößerung von seinen Augen hinzukriegen, ist das genauso gut wie ein Fingerabdruck oder sogar besser. Darf ich mir die Leiche ansehen?«
»Wenn du möchtest. Wie weit willst du dich bei dem Fall engagieren?«
»Von Chanya weiß ich, dass du ziemlich aus der Fassung bist. Das geht mir auch an die Nieren. Wenn ich irgendwie helfen kann, mach ich das.«
»Chanya hat dir das gesagt?«
»Sie liebt dich. Und sie meint, dass du moralische Unterstützung von einer Kollegin gebrauchen könntest. Ich hab ihr versprochen zu tun, was ich kann, wenn du mich lässt.«
Die FBI-Frau ahnt nicht, welchen Bonus sie sich bei mir erwirbt, indem sie eine schwangere Exprostituierte aus der Dritten Welt als Freundin und Gleichgestellte behandelt. Heroismus solcher Art bringt uns in diesem Winkel der Erde zum Staunen. Auch Chanya mag Kimberley, und wer sich die Zuneigung einer Thai-Frau erworben hat, erfährt von ihr alles.
Ein tuk-tuk fährt vorbei, dessen Zweitaktmotor schwarze Abgase in die Luft bläst. Früher waren die Dinger Symbole Thailands: drei Räder, ein Stahldach auf vertikalen Streben und ein fröhlich lächelnder Fahrer. Heutzutage sind sie Touristenspielzeuge für immer weniger Passagiere. Bis jetzt hat das einundzwanzigste Jahrhundert nicht allzu viel Neues gebracht; wir ahnen, dass eine Rückkehr zur altbekannten bitteren Armut unser Anteil an der Globalisierung sein wird. Kimberley hat das noch nicht gemerkt – sie ist erst zwei Tage hier, und schon packt sie der Arbeitseifer. Ihr fallen tuk-tuk und schwarze Abgase überhaupt nicht auf.
»Ich lasse die DVD nicht von meinen Leuten kopieren«, sage ich. Sie schaut mich an. »So etwas wird in sehr geringer Zahl produziert und international auf Spezialmärkten verkauft.« Ich spüre, wie ich rot werde. »Unser Land ist arm.« Immer noch dieser Blick: Ich muss Farbe bekennen. »Sie würden sie verkaufen.«
Sie wendet sich ab, damit ich ihre Verachtung nicht sehe. Erst nach einer ganzen Weile meint sie: »Ich hab mich wieder gefangen. Du kannst mir ruhig sagen, wie du das Ding kopieren lässt.«
»Überhaupt nicht. Ich steck’s in die Tasche. Du kannst die Daten im Konferenzzentrum des Grand Britannia direkt von der DVD mailen.«
Kimberley bleibt im Wartebereich, während ich die DVD hole – fünf Komma sieben Megabyte Essenz des Bösen. Als wir wieder draußen sind, starrt sie einem jungen Mönch nach. Er ist Anfang bis Mitte zwanzig und strahlt exotische Eleganz aus, die nicht zu dem Internet-Café passt, in das er gerade tritt.
»Der Sangha sieht die Nutzung des Internet in öffentlichen Räumen nicht gern, ahndet sie jedoch nicht«, erkläre ich, froh, nicht mehr über das Snuff Movie sprechen zu müssen. »Die Mönche informieren sich oft über buddhistische Websites.«
»Kommt er häufiger hierher? Mir scheint das kein Ort zu sein, an dem sich Mönche normalerweise rumtreiben.« Offenbar verspürt auch Kimberley das Bedürfnis nach Small Talk.
»Ich hab ihn gestern das erste Mal gesehen. Keine Ahnung, zu welchem wat er gehört.«
2
In Dr. Supatras unterirdischem Reich hängen Kreissägen und unterschiedlichste Messerarten an den Wänden, von Hackbeilen bis zu eleganten Stiletten. Ich habe ihr noch nichts von der DVD erzählt; nur die FBI-Frau und Chanya wissen Bescheid, was nicht sonderlich für die Thai-Integrität spricht, oder? Nicht, dass ich Supatra nicht vertrauen würde. In unserer Zeit ohne Ehre heben sich die, die sie besitzen, besonders deutlich ab. Supatra ist genauso unbestechlich wie ich. Warum ich ihr dann nichts von der DVD gesagt habe? Weil ich sie nicht beeinflussen wollte. Ich stelle sie Kimberley vor. Dr. Supatra bedenkt sie mit einem argwöhnischen Blick; heutzutage haben wir alle ein kleines Problem mit dem westlichen
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