Der buddhistische Mönch
die Hände hebt. Ich sage auf thai: »Ist schon in Ordnung. Kimberley reagiert genauso wie ich beim ersten Mal Sehen. Sie versucht, sich selbst davon zu überzeugen, dass das nicht die Realität ist, dass so etwas nicht passieren kann, dass es sich um einen Trick handelt.«
»Was mache ich jetzt?«, fragt Dr. Supatra auf thai. »Sie ist ziemlich aus der Fassung. Ich glaube, das war keine gute Idee, Sonchai. Soll ich einfach so tun, als wär’s doch ein Trick?«
Ich zucke mit den Achseln. »Wählen Sie die einfachste Lösung.«
»Entschuldigung«, sagt Dr. Supatra auf englisch zu Kimberley. »Das ist unser berühmter Thai-Humor. Nehmen Sie es mir nicht übel.«
Die FBI-Frau ringt sich ein Lächeln ab. »Schon okay. Wahrscheinlich ist das wieder so eine Kulturfrage. In einem anderen Zusammenhang hätte ich’s vielleicht auch witzig gefunden. Ich bin nun wirklich kein Spielverderber, aber einen so groben Scherz hatte ich nicht erwartet.«
»Tut mir leid.« Dr. Supatra führt die Hände zu einem wai an die Lippen, um ihr aufrichtiges Bedauern zu signalisieren.
Nun möchte Kimberley beweisen, dass sie nicht nachtragend ist. »Ausgesprochen clever«, sagt sie. »Keine Ahnung, wie Sie das hingekriegt haben. Gehört es zur Thai-Kultur, zu glauben, dass Geister kopulieren und einander diese … äh … hässlichen Dinge antun? Das höre ich zum ersten Mal. Erstaunliche Effekte. Filmen ist vermutlich Ihr Hobby.«
»Stimmt«, bestätigt Dr. Supatra. »Es ist alles eine Sache der Kameraführung. Um das Treiben der Geister zu begreifen, muss man allerdings wissen, dass der Hirntod nicht unbedingt die Triebe ersterben lässt. Und das sieht dann nicht besonders hübsch aus, da pflichte ich Ihnen bei.«
»Wie haben Sie das mit den nicht-menschlichen Gestalten gedreht?«
»Mittels eines speziellen Animationsprogramms«, antwortet Dr. Supatra mit einem kleinen wai in Richtung des sitzenden Buddha in seinem Schrein auf halber Höhe der Wand. Sie bittet um Verzeihung für ihre Notlüge.
»Unglaublich. So was hab ich noch nie gesehen. Wirkt professioneller als manches aus Hollywood.«
Dr. Supatra nimmt das Kompliment schweigend hin und führt uns wieder die Treppe hinauf. An ihrem ausweichenden Blick beim Abschied merke ich, dass sie wütend auf mich ist, weil ich sie ermutigt habe, ihr Hobby einer farang zu offenbaren.
Nun möchte ich mich eigentlich nicht über Damrong unterhalten, aber leider sitze ich in der Falle. Ich muss Kimberley im Taxi zu ihrem Hotel bringen; ihr Schweigen lastet auf mir wie ein immer schwerer werdendes Gewicht, während sie aus dem Fenster starrt.
»Chanya weiß Bescheid«, sage ich nach einer Weile. »Das alles war, bevor sie und ich uns kannten. Sie hat nur deshalb mit dir über den Fall geredet, weil sie seine Wirkung auf mich fürchtet. Sie glaubt, dass du mir auf psychologischer Ebene beistehen kannst. Sie selbst fühlt sich machtlos.«
Kimberley erwidert erst einmal nichts. Irgendwann beugt sie sich zum Fahrer vor, um ihm zu sagen, dass er uns zum State Tower bringen soll, nicht zu ihrem Hotel. Eine kluge Wahl. So weit oben über der Stadt, im Dome, einer Restaurant-Bar im Freien, gleich unter den Sternen, ein exotischer Cocktail mit Kokosnusssaft in Kimberleys Hand, ein Kloster-Bier in der meinen, haben wir das Gefühl, als berührten unsere Köpfe den Nachthimmel: Wir befinden uns sozusagen in einem kosmischen Beichtstuhl.
»Tja, das war so«, beginne ich.
3
Wenn Sie ihn selbst noch nicht erlebt haben, ist der Zustand schwer zu begreifen. Hätte ich Damrong nie kennen gelernt, wäre mir der männliche Wahn, den ihr Westler »verliebt sein« nennt, vermutlich auch fremd geblieben, farang. In Thailand ist die Einstellung zur »Liebe« ein bisschen anders.
Gleich zum peinlichsten Teil der Geschichte: Sie verführte mich nach allen Regeln der Kunst, schon eine Woche, nachdem sie in der Bar meiner Mutter zu arbeiten begonnen hatte, die ich immer noch gemeinsam mit dieser leite. Wie alle guten papasans hatte ich mir geschworen, niemals die Dienste unserer Angestellten in Anspruch zu nehmen und es bis dahin auch nicht getan. Doch ich fühlte mich einsam ohne meinen Partner Pichai, der in Ausübung seiner Pflicht getötet worden war, und merkte nicht, wie offensichtlich mein Interesse an dem neuen Superstar sein musste. Mit ziemlicher Sicherheit wusste sie bereits vor mir um meine Gefühle. Wann kippt die Bewunderung eines Mannes für eine Frau in Besessenheit, die der Buddha so
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