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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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das ist ja das Merkwürdige. Eigentlich würde man zumindest blaue Flecken oder verkrampfte Muskeln erwarten, aber nichts. Es sieht fast so aus, als wäre sie in gefesseltem Zustand erwürgt worden – doch auch auf eine gewaltsame Fesselung gibt es keine Hinweise.«
    »Verdammt«, sagt Kimberley. Dr. Supatra hebt eine Augenbraue. »Tja, wahrscheinlich will ich das Ende einfach nicht glauben.«
    »Ende?«, fragt Dr. Supatra. »Was für ein Ende?«
    Kimberley hält die Hand vor den Mund, aber es ist zu spät. Nun bleibt mir nichts anderes übrig, als Dr. Supatra von der DVD zu erzählen. Supatra nickt; als Profi begreift sie sofort, warum ich ihr erst jetzt davon berichte. Sie schenkt mir sogar ein mütterlich-verständnisvolles Lächeln.
    »Trägheit ist eine nationale Schwäche«, erklärt sie der FBI-Frau. »Sonchai hatte Angst, dass ich faul werden und meine Arbeit nicht richtig erledigen würde, wenn ich den Film sähe.«
    »Ich wollte die DVD schon zurückhalten, bevor ich wusste, dass Sie sich mit dem Fall beschäftigen würden«, erwidere ich.
    »Sie haben sie doch auch noch aus anderen Gründen nicht erwähnt, oder? Snuff Movies erzielen hohe Preise auf dem internationalen Markt, heißt es. Was bedeutet, dass Sie etwas sehr Wertvolles in Händen halten.« Und an Kimberley gewandt fügt sie hinzu: »Aber wie war das noch mal mit dem Ende, das Ihnen so wenig gefällt?«
    Kimberley will ihr darauf keine Antwort geben, also verspreche ich Dr. Supatra, ihr die ganze DVD zu zeigen, sobald Zeit dazu ist. Allerdings hat die FBI-Frau noch eine andere Frage. »Dr. Supatra, ist Ihnen zuvor jemals ein Fall von Strangulation untergekommen, in dem es keinerlei Hinweise auf Gegenwehr gab?«
    Dr. Supatra mustert sie neugierig, als wäre ihr soeben klar geworden, welche Bedeutung diese Frage für einen farang haben kann. »Nicht, dass ich wüsste, aber Sie dürfen nicht vergessen, dass unsere Kultur ein eigenes Bewusstsein besitzt.«
    Kimberley runzelt die Stirn. »Ein eigenes Bewusstsein?«
    »Im Hinblick auf den Tod«, erklärt die Pathologin. »Der Umgang einer Kultur mit dem Tod definiert auch ihre Einstellung zum Leben. Verzeihen Sie, wenn ich das sage, aber der Westen vermittelt manchmal den Eindruck, als würde er ihn leugnen. Thais sehen das ein bisschen anders.«
    »Inwiefern unterscheidet sich Thailand da von uns?«
    »Es geht nicht um Thailand allein, sondern um ganz Südostasien. Wir stehen alle auf Geister – die Malaysier sind viel schlimmer als wir. Natürlich gibt es zu diesem Thema keine Statistiken, aber wenn man den Thais glauben darf, übersteigt die Zahl der Untoten die der Lebenden um ein Hundertfaches.«
    »Sie als Wissenschaftlerin glauben das doch nicht, Dr. Supatra, oder?«
    Dr. Supatra lächelt fragend. Ich nicke. »Tja, ich bin Wissenschaftlerin, aber eben keine westliche. Mit Sonchais Erlaubnis würde ich Ihnen gern etwas zeigen.« Wieder nicke ich, und schon folgen wir Dr. Supatra in ihr Büro. Immer noch mit Sphinxlächeln holt sie ihren Laptop sowie eine Sony-Videokamera aus einer Schublade. »Damit beschäftige ich mich in den meisten Nächten«, sagt sie und demonstriert, wie sie die Kamera aufs Bürofenster richtet, das auf die Pathologie mit den Leichenreihen in den Stahlgruften geht, und die Bilder auf ihrem Computer aufzeichnet. »Möchten Sie die Ausbeute der letzten Nacht anschauen?« Wieder sieht sie mich fragend an; schließlich ist die FBI-Frau mein Gast. Ich nicke zum dritten Mal, ein wenig verlegen. Erliege ich der Versuchung der Boshaftigkeit? Plötzlich werde ich ob dieser unangekündigten Initiation nervös; vielleicht flippt die FBI-Frau ja aus? Aber jetzt ist es zu spät für einen Rückzieher. Kimberley sitzt an Dr. Supatras Schreibtisch, während diese an ihrem Laptop hantiert. »Leider muss ich Infrarotlicht benutzen, weshalb die Bilder nicht besonders deutlich sind. Trotzdem lässt sich die Sache wissenschaftlich nur schwer erklären.«
    Ich beobachte Kimberley, wie sie die Bilder betrachtet, die ich selbst bereits kenne. Sie wird blass, starrt mich einen Moment lang ungläubig an, wendet sich wieder dem Laptop zu, schüttelt den Kopf, zuckt zusammen. Dann presst sie die Hand auf den Mund, als müsste sie sich übergeben. Dr. Supatra beendet die Vorstellung.
    Die FBI-Frau steht auf. »Tut mir leid«, sagt sie mit vor Zorn rotem Gesicht. »Ich bin Gast in diesem Land, aber das kann ich einfach nicht lustig finden.«
    Dr. Supatra sieht mich kurz an, bevor sie

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