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Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ein Auge, wenn man sie hin und her dreht. Selbst eine Messerspitze sieht mit einem Mal ganz anders aus, wenn es spät ist und alle anderen im Haus schon schlafen.
    Das spielte sich aber alles unterhalb der gedanklichen Ebene ab. In meinen Gedanken hatte ich nur beschlossen, dass ich nicht rausgehen konnte, ohne den Kofferraum des Buicks zuzumachen. Das sah einfach … ich weiß nicht … zu sehr danach aus, als würde er gleich einatmen. Oder zubeißen. So was in der Richtung. Ich lächelte immer noch. Vielleicht lachte ich sogar ein wenig.
    Ich ging acht Schritte – oder vielleicht waren es auch zwölf. Ja, wahrscheinlich eher zwölf. Ich sagte mir die ganze Zeit, dass es nicht dumm wäre, was ich da tat, dass Eddie J nur eine alte Memme wäre, die Gefühle mit Tatsachen verwechselte. Ich griff nach dem Kofferraumdeckel. Ich wollte ihn einfach nur zuknallen und dann die Biege machen (das sagte ich mir jedenfalls), doch dann schaute ich in den Kofferraum und sagte laut Mich laust der Affe oder Ich fress ’nen Besen oder so was. Denn auf der schlichten braunen Matte in dem Kofferraum lag etwas. Es sah aus wie ein Transistorradio, so etwa Baujahr 1960. Es ragte sogar ein glänzender Stummel daraus hervor, der vielleicht eine Antenne sein konnte.
    Ich griff in den Kofferraum und hob das Ding hoch. Auch darüber lachte ich. Ich kam mir vor wie in einem Traum oder auf irgendeinem Drogentrip. Und die ganze Zeit über wusste ich, dass es mir immer mehr auf den Leib rückte, sich bereitmachte, mich zu verschlucken. Ich hatte keine Ahnung, ob es Ennis auf die gleiche Weise verschluckt hatte, wie es mich gleich verschlucken würde, aber wahrscheinlich schon. Und das kümmerte mich überhaupt nicht. Ich stand da vor dem offenen Kofferraum, hatte kein Seil um die Taille und niemand, der mich rausziehen konnte, und etwas machte sich bereit, mich aufzusaugen, mich einzuatmen wie Zigarettenrauch. Und es war mir komplett scheißegal. Mich interessierte nur, was ich da im Kofferraum gefunden hatte.
    Es könnte irgendein Kommunikationsgerät gewesen sein – so sah es jedenfalls aus –, aber es könnte auch etwas ganz anderes gewesen sein: die Pillenschachtel des Monsters oder irgendein Musikinstrument oder vielleicht gar eine Waffe. Es war so groß wie eine Zigarettenschachtel, aber viel schwerer. Schwerer auch als ein Transistorradio oder ein Walkman. Es hatte keine Skala, keine Knöpfe oder Regler. Das Material, aus dem es bestand, fühlte sich weder nach Metall noch nach Plastik an und sah auch nicht so aus. Die Oberfläche war fein gemasert, nicht direkt unangenehm, aber organisch, wie Rindsleder. Ich berührte den Stab, der daraus hervorragte, und er verschwand in einem Loch an der Oberseite. Ich berührte das Loch, und der Stab kam wieder raus. Ich berührte den Stab wieder, und diesmal geschah nichts. Es geschah nie mehr was. Obwohl nie mehr für das, was wir dann » das Radio« nannten, nicht sehr lange war. Nach gut einer Woche fing seine Oberfläche an, löchrig zu werden und zu korrodieren. Da war es schon in einem luftdicht verschlossenen Plastikbeutel, aber das bremste den Verfall überhaupt nicht. Einen Monat später sah das » Radio« aus, als wäre es mindestens achtzig Jahre lang Wind und Regen ausgesetzt gewesen. Und im nächsten Frühjahr waren davon nur noch ein paar graue Schnipsel unten in einer Plastiktüte übrig. Die Antenne – wenn es denn eine war – bewegte sich nie wieder, nicht einen einzigen Millimeter.
    Ich dachte daran, wie Shirley gesagt hatte: Wir haben ein denkendes Wesen umgebracht, und wie George entgegnet hatte, das sei Quatsch. Aber es war kein Quatsch. Die Fledermaus und der Fisch hatten nichts dabeigehabt, was wie ein Transistorradio ausgesehen hatte, denn es waren Tiere gewesen. Der heutige Besucher aber – den wir mit Werkzeugen in Stücke gehackt hatten, die wir von der Wand genommen hatten – war kein Tier gewesen. Wie abscheulich er uns auch vorgekommen war und wie instinktiv wir ihn auch – wie soll man sagen, tja: – verstoßen hatten, hatte Shirley doch recht gehabt: Es war ein denkendes Wesen gewesen. Wir hatten es trotzdem umgebracht, hatten es in Stücke gehackt, obwohl es da schon auf dem Betonboden lag, sich ergebend den Stumpf seines abgetrennten Rüssels hob und kreischend um Gnade flehte, obwohl es wissen musste, dass wir es nicht verschonen würden, nicht verschonen konnten . Aber das war es nicht, was mich entsetzte. Was mich entsetzte, war eine Vision, wie es auf

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