Der Buick: Roman (German Edition)
sehr muffig, aber immerhin. Auf jeden Fall angenehmer als der Gestank nach Kohl und Meerwasser da in dem Schuppen. Ich nahm die ramponierte alte Polaroidkamera, die an einem Riemen an einem Nagel hing. Und als ich aus der Hütte ging, meinte ich eine Bewegung zu sehen. Das könnte ich mir aber auch erst im Nachhinein eingebildet haben, das gebe ich gern zu. Nur so ein Huschen. Das war aber nicht in der Nähe des Schuppens, denn den hatte ich ja vor mir, und ich sah das eher im Augenwinkel. Irgendwas hinten auf der Wiese, im hohen Gras. Wahrscheinlich dachte ich, es wäre Mister Dillon, der sich da rumrollt und versucht, den Gestank von diesem Vieh loszuwerden. Tja, aber der war’s nicht. Mister Dillon war da schon nicht mehr nach Rumrollen zumute. Der arme alte D war da schon dabei zu sterben.
Ich ging wieder in den Schuppen und atmete jetzt durch die Maske. Und obwohl ich zuvor nicht gespürt hatte, wovon Eddie da sprach, empfand ich es jetzt ganz deutlich. Es war, als hätten mich die wenigen Momente draußen dafür empfänglich gemacht oder mich darauf eingestimmt. Der Buick gab keine violetten Blitze von sich und leuchtete oder summte auch nicht, er stand einfach nur da, aber er hatte unverkennbar etwas Lebendiges an sich. Das spürte man auf der Haut, wie wenn einem eine ganz leichte Brise über die Haare auf dem Unterarm weht. Und ich dachte … das ist jetzt verrückt, aber ich dachte: Was ist, wenn der Buick so was Ähnliches ist wie das, was ich gerade vor dem Gesicht trage? Was ist, wenn er nichts weiter als eine Atemmaske ist? Was ist, wenn das Ding, das sie trägt, gerade ausgeatmet hat und in ein, zwei Sekunden …
Selbst mit der Atemmaske trieb mir der Gestank des toten Wesens Tränen in die Augen. Brian Cole und Jackie O’Hara, zwei handwerklich sehr begabte Typen, die damals hier arbeiteten, hatten im Jahr zuvor im Schuppen einen Deckenventilator angebracht, und den schaltete ich im Vorbeigehen ein.
Ich knipste drei Fotos, und dann war der Polaroidfilm alle. Das hatte ich vorher nicht überprüft. Dumm von mir. Ich steckte die Fotos in meine Gesäßtasche, stellte die Kamera auf dem Boden ab und ging dann die Plane holen. Als ich mich bückte, um sie aufzuheben, fiel mir ein, dass ich zwar die Kamera mitgenommen hatte, aber in der Hütte direkt an dem hellgelben Seil vorbeigegangen war, das dort aufgerollt hing. Ich hätte es mitnehmen und mir um die Taille binden sollen. Das andere Ende hätte ich an dem großen Haken befestigt, den Curtis eigens zu diesem Zweck draußen links neben der Schuppentür angebracht hatte. Aber das hatte ich nicht getan. Das Seil war eigentlich zu leuchtend gelb, um es zu übersehen, aber ich hatte es trotzdem nicht bemerkt. Schon komisch, was? Und nun stand ich da und durfte gar nicht allein da drin sein, war aber allein. Und ich trug noch nicht mal ein Sicherheitsseil. War direkt daran vorbeigegangen, vielleicht, weil etwas wollte, dass ich daran vorbeiging. Auf dem Boden lag ein toter Außerirdischer, und mich fröstelte, und ich spürte, dass sich da irgendwas zusammenbraute. Ich glaube, ich dachte kurz, wenn ich verschwinden würde, könnten meine Frau und Ennis Raffertys Schwester sich zusammentun. Ich glaube, darüber habe ich laut gelacht. Ich erinnere mich nicht mehr genau, aber ich weiß noch, dass mir irgendwas sehr lustig vorkam. Vielleicht die allgemeine Absurdität der Situation.
Das Ding, das wir getötet hatten, war vollkommen weiß geworden. Es dampfte wie Trockeneis. Die Augen auf dem abgetrennten Teil schienen mich immer noch anzustarren, obwohl sie schon schmolzen und zerliefen. Ich hatte Angst wie noch nie im Leben, eine Angst, wie man sie hat, wenn man ganz genau weiß, dass man in Lebensgefahr schwebt. Das Gefühl, dass da gleich etwas einatmen, einsaugen würde, war so übermächtig, dass ich Gänsehaut davon bekam. Aber ich grinste auch. Ein breites Grinsen. Ich lachte noch nicht, aber fast. Ich war richtig gut gelaunt. Ich warf die Plane über Mr. ET und ging dann zur Schuppentür. Die Polaroidkamera hatte ich ganz vergessen. Die ließ ich auf dem Betonboden stehen.
Als ich schon fast an der Tür war, sah ich mich noch einmal zu dem Buick um. Und irgendeine Kraft zog mich zu ihm. Bin ich mir sicher, dass diese Kraft von dem Wagen ausging? Nein, eigentlich nicht. Es könnte auch einfach nur die Faszination gewesen sein, die tödliche Dinge auf einen ausüben – der Blick in den Abgrund und wie einen die Mündung einer Pistole anschaut wie
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