Der Buick: Roman (German Edition)
würde schrecklich ausgehen, aber das war mir egal, denn es würde auch irgendwie lustig sein. Deshalb lächelte ich. Ich wollte nicht weg. Und ich glaube, George wollte das auch nicht. Wenn man sich wirklich dazu entschließt, ist es letztlich so, wie wenn man sich verliebt. Es ist wie eine Hochzeitsnacht. Und ich hatte mich dazu entschlossen.
Doch dann rettete mich ein Schrei – und zwar von Shirley. Erst hörte ich sie nur kreischen, und dann verstand ich auch, was sie schrie. » Hilfe! Bitte! Helft mir! Bitte, bitte, helft mir!«
Es war, als wäre ich durch eine Ohrfeige aus einer Trance erwacht. Ich trat zwei große Schritte von dem Kofferraum des Buicks zurück, schwankte dabei wie ein Betrunkener und konnte überhaupt nicht fassen, was ich da eben fast getan hatte. Dann schrie Shirley wieder, und ich hörte Eddie rufen: » Was hat er denn, George? Was passiert da mit ihm?«
Ich machte kehrt und lief aus dem Schuppen.
Tja. Gerade noch einmal davongekommen.
Damals: Eddie
Draußen war es so viel angenehmer, dass es mir, als ich hinter George herlief, fast so vorkam, als wäre das im Schuppen B alles nur ein Traum gewesen. Es gab doch ganz bestimmt keine Monster, denen rosafarbene Schnüre aus dem Kopf wuchsen und die einen Rüssel mit Augen dran hatten und behaarte Klauen. Nein, die Realität, das war unser Festgenommener auf der Rückbank von Wagen 6, der flotte, seine Freundin verprügelnde Kotzbrocken Brian Lippy – einen herzlichen Applaus für ihn bitte, meine Damen und Herren. Ich hatte immer noch Angst vor dem Buick – sogar mehr denn je – und war mir sicher, dass es einen sehr guten Grund für die Angst gab, bloß dass er mir nicht mehr einfiel. Und das war eine Erleichterung.
Ich trabte los, um George einzuholen. » He, Mann, ich hab mich da drin vielleicht ’n bisschen gehen lassen. Wenn ich …«
» Mist«, sagte er und blieb so abrupt stehen, dass ich fast auf ihn aufgelaufen wäre. Er stand am Rand des Parkplatzes, hatte die Fäuste geballt und auf die Hüften gestemmt. » Guck dir das an.« Dann rief er: » Shirley! Alles klar mit dir?«
» Ja!«, rief sie zurück. » Aber Mister D … ach, du je, das Funkgerät. Ich muss ran.«
» Das ist ja wohl die Höhe«, sagte George leise.
Ich stellte mich neben ihn, und da sah ich, was ihn so aus der Fassung brachte. Das rechte hintere Seitenfenster von Wagen 6 war herausgebrochen worden, zweifellos von einem Paar Cowboystiefel mit hohen Absätzen. Zwei, drei Tritte hätten da nicht gelangt, ja, vielleicht nicht mal ein Dutzend, aber wir hatten meinem alten Schulfreund Brian ja auch viel Zeit gelassen, sich dabei mächtig ins Zeug zu legen. Jetzt aber mal mit Schmackes!, wie meine alte Mutter immer gesagt hat. Der Sonnenschein spiegelte sich in den Tausenden Glaskrümeln, die in einem Haufen auf dem Asphalt lagen. Von Monsieur Brian Lippy aber fehlte jede Spur. » SCHEISSE !«, schrie ich und fuchtelte doch tatsächlich mit den Fäusten in Richtung Wagen 6.
Wir hatten einen brennenden Chemietanklaster in Pogus County; wir hatten ein totes Monster, das in unserem Schuppen verweste; und jetzt hatten wir auch noch ein entflohenes Neonazi-Arschloch. Und eine geplatzte Fensterscheibe an einem Streifenwagen. Du denkst vielleicht, verglichen mit dem Rest sei das nicht so schlimm, Junge, aber das denkst du bloß, weil du noch nie diese Formulare ausfüllen musstest, angefangen bei » 24-A-24, Beschädigtes Eigentum der PSP «, bis hin zu » Vollständiger Bericht über den Zwischenfall, Füllen Sie alle relevanten Felder aus«. Ich möchte gern mal wissen, warum man nicht mal ein paar schöne Tage hintereinander hat, an denen jeweils nur eine Sache schiefgeht. Meiner Erfahrung nach passiert das nie. Meiner Erfahrung nach passiert lange gar nichts, und eines Tages kommt es dann so richtig dicke. Und das war so ein Tag. Schlimmer geht’s nimmer.
George ging zum Wagen 6. Ich ging neben ihm her. Er hockte sich hin, nahm das Walkie-Talkie von seinem Koppel und stocherte mit der Gummiantenne in dem zerplatzten Sicherheitsglas herum. Dann hob er etwas auf. Es war der Kruzifixohrring unseres Kumpels. Anscheinend hatte er ihn verloren, als er aus dem Auto geklettert war.
» Scheiße«, sagte ich noch einmal, aber leiser. » Wo ist er wohl hin?«
» Tja, bei Shirley ist er nicht. Dafür klingt sie zu munter. Und das ist auch gut so. Aber sonst? Die Straße rauf, die Straße runter, über die Straße, über die Wiese in den Wald. Eins davon – such’s
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