Der Buick: Roman (German Edition)
und – das hat Bibi Roth bestätigt – auch ohne Fahrgestellnummer.«
» Aber Roach hatte doch Grund zu der Annahme, dass der Besitzer in dem Fluss hinter der Tankstelle ertrunken war!«
» Naa jaa«, sagte Shirley. » Der angebliche Regenmantel des Fahrers erwies sich als Mülltonne. So weit zum Thema Bradley Roach.«
» Und außerdem haben Ennis und dein Vater auf dem Hang hinter der Tankstelle keine Fußspuren finden können«, meldete sich Phil zu Wort. » Und dabei war das Gras noch feucht. Wenn der Typ da runtergegangen wäre, hätte er irgendwelche Spuren hinterlassen.«
» Vor allem wollte Tony die Sache intern regeln«, sagte Shirley. » Meinst du, man könnte das so sagen, Sandy?«
» Ja. Der Buick an sich war schon seltsam, aber wir sind damit nicht groß anders umgegangen als mit anderen ungewöhnlichen Vorfällen auch: Wenn wir einen Trooper verlieren – wie letztes Jahr deinen Vater –, oder wenn einer seine Dienstwaffe abgefeuert oder einen Unfall gebaut hat, wie damals, als George Morgan dieses verrückte Arschloch verfolgt hat, das seine Kinder entführt hatte.«
Für einen Moment verfielen wir alle in Schweigen. Polizisten haben Albträume, das kann einem die Frau jedes Troopers bestätigen, und einer unserer Albträume hatte mit George Morgan zu tun. Er fuhr hundertvierzig und hatte das verrückte Arschloch schon fast eingeholt, das gewohnheitsmäßig die Kinder verdrosch, die er entführt hatte und angeblich liebte, und da geschah es.
George hatte ihn schon fast, als da diese ältere Mitbürgerin über die Straße ging, siebzig Jahre alt, lahmer als ein kriechender Ochsenfrosch und stockblind. Das Arschloch hätte sie überfahren, wenn sie drei Sekunden früher losgegangen wäre, und überfuhr sie also nicht. Nein, das Arschloch raste haarscharf an ihr vorbei und hätte ihr mit dem rechten Seitenspiegel fast die Nase eingeschlagen. Und dann kommt George – und rums. Zwölf Jahre lang hatte er untadelig bei der State Police gedient, war zweimal für seine Tapferkeit belobigt worden und hatte unzählige Auszeichnungen für seine Verdienste um das Gemeinwohl erhalten. Er war seinen Kindern ein guter Vater und seiner Frau ein guter Mann, aber das war alles vorbei, als eine Frau aus Lassburg Cut im falschen Moment die Straße überqueren wollte und er sie mit dem Streifenwagen D-27 totfuhr. George wurde von der Disziplinarstelle entlastet, und auf eigenen Wunsch übernahm er dann einen Schreibtischjob bei der Troop. Wäre es nach den hohen Tieren gegangen, dann hätte er wieder seinen normalen Dienst antreten können, aber es gab da ein Problem: George Morgan konnte nicht mehr Auto fahren. Nicht mal mit seiner Familienkutsche zum Supermarkt. Er kriegte schon das große Zittern, wenn er sich nur ans Lenkrad setzte, und ihm tränten dann derart die Augen, dass er an einer Art hysterischer Blindheit litt. In diesem Sommer arbeitete er nachts in der Leitstelle. Nachmittags trainierte er die von der Troop D gesponserte Baseball-Jugendmannschaft, und das bis hin zum Landesturnier. Anschließend übergab er den Kindern ihren Pokal und ihre Anstecknadeln, sagte ihnen, dass er sehr stolz auf sie sei, fuhr nach Hause (die Mutter eines Spielers nahm ihn mit), trank zwei Bier und pustete sich in der Garage das Hirn raus. Er hinterließ keinen Abschiedsbrief; das tun Polizisten sowieso selten. Ich schrieb dann hinterher eine Presseerklärung. Wenn man sie liest, käme man nie darauf, dass ich sie mit Tränen in den Augen schrieb. Und plötzlich kam es mir sehr wichtig vor, Curtis Wilcox’ Sohn einige der Gründe dafür zu vermitteln.
» Wir sind eine Familie«, sagte ich. » Ich weiß, das hört sich kitschig an, aber es ist nun einmal so. Sogar Mister Dillon wusste das, und du weißt es auch, nicht wahr?«
Der Junge nickte. Natürlich wusste er das. In dem Jahr nach dem Tod seines Vaters waren wir die Familie, die ihm am meisten bedeutete, die Familie, die er sich aussuchte und die ihm das gab, was er brauchte, um mit seinem Leben weitermachen zu können. Seine Mutter und seine Schwestern liebten ihn, und er liebte sie, aber sie setzten ihr Leben auf eine Art und Weise fort, zu der Ned nicht in der Lage war … zumindest noch nicht. Es hatte damit zu tun, dass er ein Mann war und keine Frau. Es hatte auch damit zu tun, dass er achtzehn war. Und schließlich hatte es mit all den Fragen nach dem Warum zu tun, auf die er keine Antworten fand.
» Was Familien sagen und tun, wenn sie hinter
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