Der Buick: Roman (German Edition)
Bibi. » Aber ein Scherz? Nein, das glaube ich auch nicht.«
» Irgendwelche Blutspuren?«, fragte Tony, ohne zu wissen, welche Antwort er darauf hören wollte.
» Das können wir zwar erst mit Sicherheit sagen, wenn wir die Proben, die wir genommen haben, mikroskopisch untersucht haben, aber ich glaube nicht. Allerhöchstens winzige Spuren, wenn überhaupt.«
» Was hast du gefunden?«
» Mit einem Wort: nichts. Aus dem Reifenprofil haben wir keine Proben entnommen, denn da stecken weder Dreck noch Schlamm noch Steinchen noch Glas oder Gras drin – und auch sonst nichts. Das habe ich eigentlich für unmöglich gehalten. Henry …«. Er deutete auf den ersten jungen Mann. » … hat versucht, einen Kiesel ins Profil zu stecken, aber der ist immer wieder rausgefallen. Was ist das? Kann man sich so was patentieren lassen? Wenn das ginge, Tony, könntest du bald in Ruhestand gehen. Auf eine Tropeninsel deiner Wahl.«
Tony rieb sich ratlos mit den Fingerspitzen die Wange.
» Hör zu«, sagte Bibi. » Jetzt zu den Fußmatten. Normalerweise so richtige Schmutzfänger. Jede eine geologische Untersuchung wert. Normalerweise. Aber nicht in diesem Fall. Ein paar Schmutzflecken und ein Löwenzahnstiel, weiter nichts.« Er sah zu Ennis hinüber. » Vermutlich von den Schuhen Ihres Partners. Sie sagen, er hat sich ans Steuer gesetzt?«
» Ja.«
» Vor dem Fahrersitz. Da haben wir diese wenigen Spuren gefunden.« Bibi schlug die Hände zusammen, wie um zu sagen: Quod erat demonstrandum .
» Gibt es Fingerabdrücke?«, fragte Tony.
» Drei Paar. Ich brauche Vergleichsabdrücke von den beiden Officers und dem Tankwart. Die Abdrücke, die wir am Tankdeckel genommen haben, stammen höchstwahrscheinlich von dem Tankwart. Einverstanden?«
» Höchstwahrscheinlich schon«, sagte Tony. » Überprüfst du die Abdrücke nebenher?«
» Aber gern doch. Wie auch die Faserproben. Aber sei so nett und komm mir nicht mit irgendwas, wozu man den Gas-Chromatografen in Pittsburgh brauchte. Ich gehe der Sache nach, soweit es die Ausrüstung in meinem Keller zulässt. Und das ist ziemlich weit.«
» Bist ein netter Kerl, Bibi.«
» Ja, und auch die nettesten Kerle lassen sich gern mal von ihren Freunden zum Essen einladen.«
» Das Angebot steht. Und? War sonst noch was?«
» Das Glas ist Glas. Das Holz ist Holz … aber: Ein hölzernes Armaturenbrett ist bei einem Wagen dieses Baujahrs – dieses vorgeblichen Baujahrs – völliger Quatsch. Mein älterer Bruder hatte mal einen Buick aus den späten Fünfzigern, einen Limited. Mit dem habe ich fahren gelernt, und ich erinnere mich noch ganz genau an den Wagen. Ein zickiges Biest, aber wunderschön. Das Armaturenbrett war aus gepolstertem Vinyl. Ich würde sagen, dass bei dem hier die Sitzbezüge auch aus Vinyl sind, was bei dieser Marke und diesem Modell stimmen würde. Zur Sicherheit werde ich mal bei General Motors nachfragen. Der Kilometerzähler … ist sehr amüsant. Ist euch der Kilometerzähler aufgefallen?«
Ennis schüttelte den Kopf. Er wirkte benommen.
» Der steht auf null. Wie er wohl auch sollte. Dieser Wagen – dieser vorgebliche Wagen – könnte überhaupt nicht fahren.« Er sah von Ennis zu Tony hinüber und dann wieder zu Ennis. » Sagt mir bitte, dass ihr ihn nicht habt fahren sehen, dass ihr nicht gesehen habt, wie er sich aus eigener Kraft auch nur einen Zentimeter weit fortbewegt hat.«
» Nein, das haben wir nicht«, sagte Ennis. Und das entsprach der Wahrheit. Unnötig hinzuzufügen, dass Bradley Roach behauptet hatte, er habe gesehen, wie sich der Wagen aus eigener Kraft bewegt hatte, und dass Ennis, der schon viele Menschen vernommen hatte, ihm glaubte.
» Gut.« Bibi schien erleichtert. Wieder klatschte er wie Miss Lucy in die Hände. » Es wird Zeit, Kinder! Sagt Danke schön!«
» Danke, Sergeant!«, riefen sie im Chor. Die junge, außerordentlich schöne Frau trank ihren Eistee aus, rülpste dezent und folgte dann ihren weiß gekleideten Kollegen zurück zu dem Wagen, mit dem sie gekommen waren. Tony bemerkte fasziniert, dass dabei keiner der drei den Buick auch nur ansah. Für sie war das jetzt ein abgeschlossener Fall, und neue Fälle lagen vor ihnen. Für sie war der Buick nur ein altes Auto, das da in der Sonne noch älter wurde. Was machte es schon, dass Kieselsteine wieder herausfielen, wenn man sie ins Profil eines Reifens drückte, auch wenn man sie so weit oben hineinsteckte, dass die Schwerkraft sie eigentlich hätte festhalten müssen?
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