Der Bund der Drachenlanze - 07 Michael Williams
Sturm nickte langsam.
»Angeblich ja. Immerhin suchten die Besten nach ihm –
Gunthar, Bonifaz, Alfred Merkenin. Vater hatte gesagt, sie
sollten es vergessen, aber sie suchten, bis Bonifaz den Verräter erwischte. Der Mann war noch nicht lange Ritter – aus
Lemisch natürlich. Fürst Bonifaz beschuldigte ihn, doch der
Mann stritt alles ab, so daß es einen Entscheidungskampf
geben sollte. Aber in derselben Nacht hat sich der Feigling
davongemacht. Es heißt, die Bauern selbst hätten ihn gehängt, jedenfalls sah Gunthar seinen Körper am Galgen
baumeln, als er durch ihre Linien zog.
Am Morgen schickte Vater der Druidin eine Botschaft.
Trotz ihrer natürlichen Begabung zum General und Strategen behaupteten die Bauern, daß die Druidin gerecht wäre
– allzu gerecht. Da ihn die verraten hatten, denen er vertraut hatte, versuchte Vater an anderer Stelle sein Glück. Er
sagte ihr, der Druidin, daß er kein weiteres Blutvergießen
zwischen Solamniern wollte, ob sie nun für oder gegen den
Orden waren. Und falls dies nicht möglich wäre, sollte nur
sein Blut vergossen werden. Als Sicherheit für einen solchen Waffenstillstand lieferte er sich selbst den Bauern aus,
die als Gegenleistung den Fürsten Alfred und Bonifaz,
Gunthar und den übrigen aus Schloß Feuerklinge freien
Abzug gewähren sollten. So heißt es jedenfalls«, murmelte
Sturm, dessen zorniger Blick auf dem glänzenden Schild
ruhte. »Denn in jener Nacht marschierte er in das Schneetreiben, und keiner der Überlebenden hat ihn je wiedergesehen.«
Im Gastraum des Wirtshauses schwiegen die Anwesenden respektvoll. Otik machte eine Pause vom Fegen und
stützte sich auf seinen Besen, und das junge Mädchen, das
er als Hilfe eingestellt hatte, sah von seiner Arbeit auf und
hockte sich an den Schanktisch, weil es irgendwie spürte,
daß dieses schmerzhafte, persönliche Gespräch Schweigen
verlangte.
»Hab’ ich euch erzählt, daß Fürst Angriff sein Schicksal
lachend annahm?« fragte Sturm mit merkwürdigem Lächeln. »Daß er Schild und Brustpanzer so einfach ablegte
und seinem guten Freund, Fürst Bonifaz, reichte, als würde
er schlafen gehen?«
Sturm schloß die Augen. Seine Stimme stockte, als er
weiter erzählte.
»›Dort, wo ich hingehe, nützen sie mir nichts mehr‹, sagte er, ›diese Symbole der Ritterschaft. Und warum sorgt ihr
euch?‹ fragte er sie. ›Warum steigen finstere Gedanken in
euren Herzen auf?‹ Es gelang ihnen so eben, die Tränen zu
unterdrücken, sagte Mutter, denn sie wußten, daß er in den
Tod ging, und daß sie jemanden wie ihn nie wieder sehen
würden.
Und so umarmte er am Nachmittag seine Gefährten und
trennte sich von ihnen. Bald war er im Schneetreiben vor
den Mauern von Schloß Feuerklinge außer Sicht geraten.
Zwei Männer folgten ihm in den Sturm. Sie mißachteten
die Befehle meines Vaters, weil sie ihn liebten, und einen
Augenblick sahen die weinenden Männer aus der Garnison
meinen Vater und die beiden, die ihm folgten, als Dreigespann von dunklen Punkten tief im Schneesturm, und
dann wieder weit hinten, wo irgendwo im Schnee die Fackeln der Bauern wie ferne, tiefhängende Sterne leuchteten,
und die drei schienen die dünnen, dunklen Ränge des
Feindes zu betreten, ohne je zu fallen, als würden sie blind
in ein undurchdringliches Dickicht wandern.«
Sturm schüttelte sich. »Aus diesem Dickicht ist der Sohn
von Angriff Feuerklinge aufgetaucht, meine Freunde. Ich
werde Fürst Angriff Feuerklinge oder das, was aus ihm
geworden ist, aufspüren, auch wenn das Maul von Hiddukel im Weg stehen sollte, um mich zu erledigen.«
»Was ihm leicht gelingen kann, Junge«, sagte Raistlin
still. »Was ihm leicht gelingen kann.«
Sturm schluckte nervös. »Ob es ihm gelingt oder nicht, es
wird Zeit, daß ich es angehe. Wie gern hätte ich dein Köpfchen, Raistlin Majere. Oder Caramons Kraft. Im Turm des
Oberklerikers hat es ein Hinterwäldler wie ich nicht leicht.«
»Du bist doch kein Schwächling, Sturm!« machte ihm
Caramon lautstark Mut, wodurch er das Mädchen am
Schanktisch aufschreckte, das eilig mit seinen Binsen in den
Schatten huschte. »Du kannst doch auch reiten und führst
dein Schwert viel besser als ich. Es ist bloß… bloß…«
»Ich bin kein Schwertkämpfer«, stellte Sturm fest. »Kein
richtiger. Nicht so wie mein Vater oder so, wie man es im
Norden gewohnt ist. Nicht einmal halb so tapfer und nicht
so gut im Reiten. Frag meine Mutter. Frag unsere Freunde
aus
Weitere Kostenlose Bücher