Der Bund der Drachenlanze - 08 Michael Williams
Gegenüber.
In die Ecke gedrängt, geschlagen, zerkratzt, bedrängt
und beschämt drückte sich Sturm an die hinterste Wand
des Raums. Sein Rücken klebte an der doppelten Eichentür,
die hinter ihm verschlossen worden war, als die Audienz
begann.
Er konnte nirgends hin, nirgendwo den Schlägen entkommen. Während seine Gedanken verzweifelt im Kreis
gingen und er im Hagel der Schwertschläge unterging,
suchte Sturm nach irgend etwas – egal was –, um seinen
Feind zurückzudrängen.
Der Drakonier, dachte er zuletzt.
Was habe ich da noch gemacht…
Ihm flog das Schwert aus der Hand. Nach einem kräftigen Schlag von Bonifaz’ Waffe wirbelte es vierzig Fuß weit
durch die Luft, knallte auf den Steinboden der Ratshalle
und zerbrach dabei. Im selben Augenblick lag die Weidenspitze an seiner Kehle, und er blickte Bonifaz in die Augen,
die blau und leblos waren wie der wolkenlose Winterhimmel.
»Urteil, Fürst Alfred«, forderte Bonifaz. Er war noch
nicht einmal außer Atem.
»Der Rat entscheidet den Zweikampf zugunsten von
Fürst Bonifaz von Nebelhafen«, erklärte Fürst Alfred mit
dünner, geistesabwesender Stimme.
»Pack deine Sachen, Bürschchen«, zischte Bonifaz. »Solace soll im Frühling recht malerisch sein.«Die vier kamen
schweigend aus dem Ratssaal. In den Gängen duckten sich
die Pagen und Knappen in die Alkoven, und Diener gingen
ein bißchen zu eifrig wieder an ihre Arbeit. Keiner fragte
nach dem Ausgang des Zweikampfs oder auch nur, weshalb überhaupt gekämpft worden war. Der Rat war in solchen Angelegenheiten zu strengstem Stillschweigen verpflichtet, und weder Alfred noch Gunthar würden je etwas
über diesen Nachmittag erzählen.
Aber jeder würde es wissen. Wenn sie es nicht von
Sturms tief rotem Gesicht und aus der gnadenlosen Befriedigung in den stahlblauen Augen von Fürst Bonifaz ablesen konnten, würden sie es aus dem detaillierten Bericht
von Derek Kronenhüter erfahren, der alles, was geschehen
war, durch das Schlüsselloch beobachtet hatte.
Und sie würden hören, was Derek und Bonifaz sie hören
lassen wollten: »Ein echter Schwertritter hat sich Angriff
Feuerklinges Sohn vorgenommen und ihm Respekt vor
seinen Vorgesetzten beigebracht.«
Das würden sie zu hören bekommen, dachte Sturm, als
er am nächsten Morgen seine Sachen packte. Er stellte sich
vor, wie sich die Nachricht beim Frühstück verbreiten
würde, wie die verschwörerischen Jeoffreys hinter ihrem
Schinken sitzen und darüber lachen würden.
Langsam wickelte er Schild, Brustharnisch und Schwert
in schweres Segeltuch. Sie hatten ihm besser gedient als er
ihnen. Vielleicht würde er sie irgendwann wieder anlegen
dürfen. Vorerst aber wollte er die Niederlage tragen wie
der Ritter, der er inständig zu sein hoffte.
Vor dem Rat sollten alle Anklagen und Verdächtigungen
beigelegt werden. Nach den Vorschriften für ein Gottesurteil hatte Bonifaz von Nebelhafen alle Vorwürfe mit seinem
Schwert ausgeräumt. Während Sturm die letzte Elle Tuch
um sein Schwert wickelte, glaubte er langsam wirklich, daß
Bonifaz unschuldig war.
Denn die Worte des Drakoniers konnten leicht Verleumdung gewesen sein, einfach aus einem zufällig gehörten
Namen und einem tückischen Herzen geboren…
… und was Jack Derry anging…
Ach, in den letzten zwei Wochen hatten Traum und Vorstellung sich so gründlich mit dem Wirklichen vermischt,
daß…
Er schüttelte den Kopf. Bonifaz war schuldig, ganz
gleich, was Eid und Maßstab sagten. Er wußte es. Und
doch hatte Sturms Schwäche im Umgang mit dem Schwert
seinem Feind die Freiheit gesichert. Der Kampf war vorbei.
Ganz gleich, was er oder Alfred oder Gunthar über diese
Sache dachten, Bonifaz hatte sich als unschuldig erwiesen –
durch seinen Schwertarm und die alten solamnischen Prozeduren von Statut und Tradition.
Nachdem er sich die Rüstung auf die Schultern gelegt
hatte, ging Sturm durch die verschlungenen Gänge zum
Hof. Es war wie an dem Tag, an dem er in den Südlichen
Finsterwald aufgebrochen war. Kein Winken, kein Zuspruch, nicht einmal ein freundlicher Blick. Alle wichen
ihm eilig aus, als Sturm zu den Stallungen ging.
Gunthar hatte letzte Nacht noch mit ihm geredet und ihn
halbherzig bedrängt, im Turm des Oberklerikers zu bleiben. Er war erleichtert gewesen, als Sturm darauf bestand
fortzugehen, und hatte sich verlegen stammelnd mit einem
kurzen Handschlag verabschiedet.
Er hatte dem Jungen auch nichts von Fürst Stephan Peres
erzählt.
Fürst
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