Der Bund der Drachenlanze - 08 Michael Williams
herausgeprügelt.«
»Beim Maßstab, Fürst Gunthar«, sagte Bonifaz mit frohlockender, spöttischer Stimme. »Jetzt und immer beim
Maßstab, und mögen die Schwerter fallen, wie Schwerter es
tun.«
Kapitel 12
Stumpfe Waffen und ein Urteil
Sie stellten sich in der Mitte des Saals auf, der grüne Junge
und der legendäre Ritter des Schwerts. Sturm nahm seinen
Schild und spielte mit seiner Waffe. Das Weidenschwert
war leichter, als er gedacht hatte, und fühlte sich beruhigend vertraut an.
Das solamnische Gottesurteil war ein alter, ehrenwerter
Brauch, der seit dem Zeitalter der Macht und den Tagen
von Vinas Solamnus geheiligt war. Wenn gegen einen Ritter des Ordens Anklage erhoben wurde, konnte der Mann
seine Unschuld mit dem Schwert verteidigen. Wenn er
siegte, so galt seine Unschuld für die Zuschauer und den
Orden als erwiesen, ganz gleich, welche Beweise gegen ihn
vorlagen. Wurde er jedoch besiegt, so zwang ihn die Ehre,
sein Verbrechen zu bekennen und die entsprechende Strafe
des Maßstabs hinzunehmen.
Sturm schluckte nervös. Es war eine wichtige Sache, und
er mußte gegen einen wichtigen Schwertritter antreten.
Und doch keimte einen Augenblick lang Hoffnung in ihm
auf. Es gab merkwürdigere Dinge im Orden, als daß ein
Anfänger einen Meister im Moment des Schwankens oder
Träumens erwischte.
Selbst Sturm waren schon merkwürdigere Dinge widerfahren.
Er wippte auf den Fersen und erwartete seinen berühmten Gegner.
Langsam und zuversichtlich zog Bonifaz seine weißen
Handschuhe an. Er hob den Siegesschild hoch, den er vor
zwanzig Jahren im Turnier gewonnen hatte. Die gekreuzten Klingen auf dem Schild waren verblichen und von den
vergeblichen Schlägen und Stößen von tausend Waffen
zerkratzt. Nachlässig hob der Ritter das Schwert auf, das er
benutzen würde, untersuchte es auf Risse und wirbelte es
wie ein Zauberspielzeug in der Hand herum, um sein Gewicht zu prüfen. Verächtlich drehte er sich zu Sturm um,
dessen zeremoniellen Gruß er kalt und brüsk zurückgab.
»Wir sind bereit, Fürst Alfred Merkenin«, verkündete
Bonifaz, der sich auf alte, solamnische Art verneigte, wie es
die Schwertritter seit der Zeit von Vinas Solamnus taten.
Zögernd hob Fürst Alfred die Hand und senkte sie wieder,
worauf die Gegner einander in der Mitte des Ratssaals in
immer engeren Spiralen zu umkreisen begannen.
Sturm machte den ersten Angriff, wie jeder wußte, denn
der grünen Hand mangelt es an Geduld. Er trat vor und
stieß blitzschnell und gekonnt nach Bonifaz.
Der ältere Ritter schnaubte, trat beiseite und schlug
Sturm in derselben Bewegung das Schwert aus der Hand,
so mühelos, als würde er eine Fliege verjagen. Sturm jagte
seinem Schwert nach, das an einer dunklen Wand liegenblieb und seiner Hand spöttisch den Griff entgegenstreckte.
Er riß das Schwert hoch und drehte sich um. Bonifaz
lehnte lachend am langen Ratstisch, wo er mit seinem
Schwert spielte.
»Angriff Feuerklinge wäre wirklich begeistert«, höhnte
er, »seinen Sohn geschlagen und waffenlos im Turnier zu
sehen.«
Mit einem Wutschrei stürzte sich Sturm wie ein riesiges,
zorniges Tier auf Bonifaz. Der Ritter wartete ruhig und
wich erst im letzten Moment aus, stellte Sturm ein Bein und
zog ihm mit der Breitseite des Weidenschwerts eins über.
Hals über Kopf stolperte der Junge über einen am Boden
liegenden Band des Maßstabs und prallte gegen einen Sekretär, dessen zierliche Beine zerbrachen.
»Bringt es zu Ende, Bonifaz«, rief Gunthar mit rotem Gesicht und blitzenden Augen. »Bei den Göttern, bringt es zu
Ende und laßt den Jungen in Frieden!«
Bonifaz nickte theatralisch mit fröhlichem, aber giftigem
Lachen. Er fuhr herum und schritt auf den benommenen
Sturm zu, der unsicher und zaghaft sein Schwert erhob.Sturm schwirrte der Kopf, und seine Hände waren
schwer, als er sah, wie Bonifaz’ Schwert um ihn herumtanzte und ihn an Brustharnisch, Helm und Knien traf. Es
war wie ein Hornissenschwarm, ein Schwarm Klesche, und
wie er auch abwehrend den Schild hob oder mit dem
Schwert parierte, Bonifaz’ Waffe war über ihm oder unter
ihm oder hinter ihm und biß und schlug und zwickte.
Zweimal trafen ihre Klingen aufeinander, so daß der
knirschende Aufprall von Holz auf Holz im Ratssaal nachhallte, als wenn ein Baum auseinanderbrach. Beide Male
wurde Sturm zurückgestoßen. Beim zweiten Mal geriet er
ins Taumeln.
Bonifaz war nicht nur schneller und erfahrener, sondern
auch doppelt so stark wie sein
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