Der Bund der Drachenlanze - 12 Tina Daniell
richtete seine Aufmerksamkeit wieder
auf Raistlin, der gerade von dem Bewaffneten auf die oberste Stufe gezerrt wurde. Der Oberschamane ergriff den
Arm des jungen Magiers und befahl dem Soldaten, sich
den Truppen unten anzuschließen. Das tat der Minotaurensoldat mit Freuden.
Raistlin konnte weder Arme noch Beine bewegen. Sein
Mund war so fest verschlossen, daß er fast erstickte. Der
Nachtmeister brachte ihn an den Rand des Gerüsts und
hielt ihn über die Kante.
Von diesem Punkt aus schien das flüssige Feuer in der
Vulkangrube überzukochen. Die Hitze versengte dem jungen Magier das Gesicht.
»Merk’s dir gut, Zauberer«, zischte der Nachtmeister,
»denn bald wirst du vom Herrn der Vulkane verschlungen.«
Mit einer kräftigen Drehung warf der Nachtmeister
Raistlin in eine Ecke des Gerüsts. Der Oberschamane
wandte sich wieder dem dicken Zauberbuch zu und machte an der Stelle weiter, wo er aufgehört hatte.
Hicks.
Unten versuchten die Akolythen des Nachtmeisters, dem
Hicksen nachzulaufen und den unsichtbaren Kender zu
fangen. Wieder und wieder griffen sie ins Leere.
Der Nachtmeister verdrängte die Geräusche. Jetzt, wo er
seinem Ziel so nahe war, konnte ihn nichts mehr aufhalten.
Erneut begann er, in einem alten Dialekt zu grummeln. Erneut bewegte er die Arme, um den mächtigen Spruch zu
sagen.
Raistlin lag zusammengekrümmt in der Ecke der Plattform. Er fühlte sich besiegt. Mit seinen feinen Ohren konnte
er das Hicksen unten hören. Der junge Magier wünschte,
Tolpan würde Hilfe holen oder flüchten oder wenigstens
aufhören zu hicksen.
Der Nachtmeister drehte eine Seite um.
Hicks.
Der Schluckauf kam jetzt seltener – wie Donnern nach
dem Durchzug des Sturms. Die Jünger des Nachtmeisters
hatten aufgegeben. Sie hatten keine Ahnung, wie sie einen
unsichtbaren Kender fangen sollten. Diejenigen, die Tolpan
suchen sollten, versammelten sich, weil sie der Anblick fesselte, wie der Nachtmeister auf dem Gerüst seinen großen
Zauber wiederaufnahm.
Hicks.
Ein Minotaurensoldat merkte, wie ihm das Schwert aus
der Scheide gezogen wurde. Gerade noch rechtzeitig hielt
er den Griff fest und eroberte ihn nach einigem Gezerre mit
etwas Unsichtbarem zurück. Der Minotaurus schlug nach
dem Etwas, traf jedoch daneben. Einer nach dem anderen
schlugen die Soldaten um ihn her zu, verfehlten aber ebenfalls. Dann zog ein Soldat sein Schwert, holte wild aus und
schnitt dabei dem Minotaurus direkt neben ihm das Ohr
ab.
Hicks.
Das Geräusch erklang dort, wo Dogz auf den Knien wartete. Er war von einem Pulk Minotaurensoldaten umgeben.
Die Soldaten gingen dem Hickser nach, konnten jedoch
nicht genau feststellen, woher er gekommen war. Ein paar
von ihnen verließen Dogz, umklammerten ihre Waffen und
schnupperten mißtrauisch. Damit verblieben nur drei Wachen bei dem Verräter.
Auf dem Gerüst blätterte der Nachtmeister die Seite um
und las mit seiner tiefen Stimme die geheimnisvollen Sätze
längst vergangener Zauberei weiter vor.
»Psst, Dogz! Ich bin’s, Tolpan.«
Dogz’ traurige Augen gingen auf, doch er sorgte sich
mehr um die Sicherheit des Kenders als um sich selbst. Die
drei Wachen standen einige Fuß weiter mit dem Rücken zu
ihm, denn sie beobachteten den Nachtmeister. Sie hatten
Tolpan nicht gehört.
Mit den Augen gab Dogz zu verstehen, daß er ihn gehört
hatte.
»He, ich möchte dir danken, daß du Fesz getötet hast!
Das war wirklich eine tolle Sache. Du bist ein wahrer
Freund! Natürlich hätte ich das auch schon längst getan,
wenn nur – «
Mit den Augen versuchte Dogz, dem Kender mitzuteilen,
daß er von hier verschwinden sollte – weit fort von Dogz –,
bevor die bewaffneten Wachen sich umdrehten.
»Sag mal, Dogz, du hast nicht zufällig einen kleinen
Dolch oder so was-«
»Fesz«, knurrte Dogz so leise wie möglich.
Eine der Wachen hörte ihn. Sie drehte sich um und starrte Dogz argwöhnisch an. Der zuckte mit den Achseln. Die
Wache kam herbei und stocherte mit ihrem Speer in der
Luft herum, ohne etwas zu treffen.
Hicks.
Die Minotaurenwache rammte Dogz das stumpfe Ende
des Speers in den Bauch. Dogz klappte japsend zusammen.
Auf dem Gerüst blätterte der Nachtmeister die letzte Seite um. Er ließ sich einen Augenblick Zeit, atmete tief durch
und zog ein paar trockene Blätter und andere Dinge aus
kleinen Beuteln an seinem Gürtel. Diese magischen Zutaten
warf er in den Vulkan.
Ein Teilchennebel erhob sich aus dem Krater, breitete
sich aus und erfüllte mit seinem
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