Der Bund der Drachenlanze - 12 Tina Daniell
Der Kender war hinter Raistlin aufgetaucht.
»Ich bin froh, daß sie nicht verschw-«
Der Nachtmeister schnappte sich Tolpan, dessen Gewohnheit, einfach loszuplappern, ihn allmählich ärgerte. Er
klemmte sich den Kender ziemlich grob unter einen Arm
und hielt ihm mit seiner riesigen Hand den Mund zu.
Raistlin sah die beiden kühl an.
»Ja«, schnurrte der Nachtmeister, während Tolpan sich
größte Mühe gab, aus dem festen Griff des Oberschamanen
zu entkommen. »Tolpan hat dir eine magische Flaschenpost geschickt. Ihr zwei seid alte Freunde, nicht wahr? Wie
gefällt dir denn der neue, bessere Tolpan – dem einer meiner Jünger einen Trank verabreicht hat? Der macht ihn zu
einem bösen Kender. Er war uns bisher«, der Nachtmeister
drückte Tolpan fest, »von größtem Nutzen, und ich denke
doch, daß er uns auch in Zukunft nützlich sein wird.«
Raistlin sah den zappelnden Kender an. Dann ging sein
Blick zum Nachtmeister zurück. »So habt ihr es also geschafft«, sagte Raistlin. »Ein Trank.«
»Zweifelst du daran?« grollte der Nachtmeister. Einen
Augenblick nahm der Nachtmeister seine Hand von Tolpans Mund.
»Es stimmt«, sagte Tolpan, der sein Gesicht zu einer
möglichst gräßlichen Fratze verzog. »Ich bin jetzt unglaublich böse. Tolle Veränderung, was?«
Der Nachtmeister schlang seinen Arm wieder um den
Kender, und Tolpan zappelte weiter.
»Ich hätte erwartet«, sagte Raistlin schlicht, »daß so ein
Trank keine Langzeitwirkung hat.«
Der Nachtmeister lächelte. »Du hast ganz recht«, knurrte
er. »Dogz!« Dogz kam näher, und der Nachtmeister reichte
ihm den Kender. »Gib Tolpan seine doppelte Dosis – jetzt!«
Dogz sah den Nachtmeister an, wandte den Blick jedoch
sofort zur Seite. Seine Augen trafen kurz die von Raistlin.
Dann nickte Dogz dem Nachtmeister zu.
Dieser richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf
Raistlin. »Ich danke dir, daß du mich erinnert hast.«
Dogz führte den Kender trotz seiner Proteste in eine abseits gelegene Ecke, wo ein kleiner Tisch aufgebaut war.
Raistlin sah, wie Dogz den Kender an den Schultern hinsetzte, etwas in einem Becher umrührte und dem Kender
den Inhalt einflößte. Anschließend beobachtete Raistlin,
wie Dogz den Kender eine Weile ansah, bis der Kopf des
Kenders nach vorn sackte und er friedlich auf seinem Stuhl
einschlief.
Um sie herum waren die Vorbereitungen für den Zauberspruch in vollem Gang. Fesz und die anderen beiden
Minotaurenschamanen warfen händeweise Zutaten, die sie
aus Gläsern und Bechern nahmen, in den geöffneten Krater. Nach jahrhundertelangem Schlaf hatte der Vulkan begonnen, zu zischen und zu fauchen. Ein blaßorangefarbenes Licht drang aus der Öffnung des Feuerlochs.
Dogz trottete zu Raistlin und dem Nachtmeister zurück.
»Ich hätte den Kender als Blutopfer in Betracht gezogen«,
grollte der Nachtmeister, »wenn Kender nicht eine so unbedeutende Rasse wären. Sargonnas würde einen Menschen weitaus vorziehen, und ein junger Magier wie du
wird die Wirkung des Spruches deutlich erhöhen, wie du
dir vielleicht vorstellen kannst.« Hier hielt er inne und
musterte Raistlin genau.
»Ich weiß so wenig von den Sitten der Menschen. Erkläre
mir, warum du weder die weißen, die roten noch die
schwarzen Roben trägst.«
»Ich habe die Prüfung noch nicht abgelegt«, sagte
Raistlin, »und ich habe noch nicht gewählt, welche Farbe
ich eines Tages tragen werde.«
»Wenn du eine schwarze Robe hättest«, überlegte der
Nachtmeister, »wären wir auf derselben Seite. Du würdest
Sargonnas verehren wie ich.«
»Ich weiß nur sehr wenig über Sargonnas. Das ist einer
der Gründe, weshalb ich gekommen bin.«
»Du bist gekommen, um deinen Bruder zu retten«, sagte
der Nachtmeister höhnisch.
»Teilweise«, antwortete Raistlin, »und teilweise, weil
mich alle magischen Orden interessieren – der schwarze,
der weiße und der neutrale.«
»Wirklich?«
Die Hohen Drei hatten ihre Vorarbeiten beendet. Dogz
stand mit verschränkten Armen im Schatten. Fesz kam zu
ihnen und unterbrach ihr Gespräch.
»Verzeihung, Exzellenz«, sagte Fesz, »aber wir sind soweit.«
Der Oberschamane nickte ihm zu. Fesz drehte sich um.
Der Nachtmeister beugte sich zu Raistlin herunter und
blies ihm seinen heißen, stinkenden Atem ins Gesicht. Der
Oberschamane untersuchte den jungen Magier aus Solace
mit neuem Interesse. Raistlin zuckte nicht mit der Wimper.
»Also deshalb«, knurrte der Nachtmeister, »wolltest du
freiwillig den Platz deiner
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