Der Bund der Illusionisten 3: Brennender Wind (German Edition)
Problem ist nur, dass das Buch zwar eine frühe Geschichte erzählt, wir aber nicht wissen, wer sie geschrieben hat oder wann sie zum ersten Mal geschrieben wurde. Es ist sehr zu bezweifeln, dass der ursprüngliche Schreiber zur gleichen Zeit wie Nadim gelebt hat. Ich vermute, dass die Sprache hier viel moderner ist. Dieser Band hier ist einer von denen, die aus dem Gedächtnis der Illusion erschaffen wurden und die deine Mutter erhalten hat…« Er errötete und war nun weiß-rot gesprenkelt, als hätte Arrant ihn dabei erwischt, wie er Seiten aus dem kostbarsten Band der ganzen Bibliothek herausriss.
Hä? Was soll das alles?, fragte Arrant seinen Bruder.
Ich erzähle es dir später, erwiderte Tarran.
Reftim erholte sich wieder, fand die richtige Passage und fügte hinzu: » Wir wissen nicht, ob es eine exakte Kopie ist. Wir wissen auch nicht, ob es eine Legende oder Geschichte oder ausgedacht ist.«
Kennst du diese Geschichte?, wollte Arrant von Tarran wissen, als er die ersten Zeilen las.
Ja, natürlich. Es ist eine alte Geschichte. Aber du liest sie jetzt, ohne mit mir darüber zu sprechen. Das war ja die eigentliche Idee hinter dieser Übung: zu sehen, ob du etwas herausfinden kannst, das uns Illusionierern entgangen ist.
Arrant nickte und begann zu lesen.
Nadim ritt zwischen Kilsodar und Metra, zwei Taldörfern westlich von Labinya, als er auf eine Illusion stieß. Sie maß der Länge nach nicht einmal einen halben Tagesritt; in der Breite sogar noch weniger. Nadim, erfüllt von großer Furcht und Staunen, begab sich auf seinem Slecz Gyrlan hinein. Gyrlan war sein bevorzugtes Reittier, ein Tier von großer Schnelligkeit und großer Schlauheit, und die Freundschaft zwischen Mann und Tier war eine ebenso feste Bruderschaft wie die von einer Schwertklinge und einer Scheide.
Groß war die Schönheit dieses Anblicks. Silbernes Wasser, von Grünspanstreifen durchzogen, glitzerte über Steinen in Rot und Orange und Gold, und das Wasser war voller schwimmender Tiere und sonderbarer Kreaturen. Auch die Blumen und Pflanzen waren in Nadims Augen seltsam, denn wo sonst hätte es geschehen können, als er sich neben dem Wasser zur Ruhe legte, dass die Reben, die ihn liebkosten, erst seine Männlichkeit erregten und dann die Sehnsucht dieser Erregung befriedigten? Wo sonst hätte er Jungfrauen lieblich aus den Blumen singen hören können, an denen er vorbeikam? Gar viele seltsame Begebenheiten hat Nadim damals erfahren.
Aber nicht alles war gut in diesem verzauberten Paradies. In der Schönheit lauerte ein Schrecken, dem sich mit unerschütterlichem Herzen zu stellen nicht einmal der tapfere Nadim den Mut besaß, und auch Gyrlan, sein Reittier, konnte nicht mit sicherem Schritt bestehen.
Dieser Schrecken war eine Geißel, ein Geschwür des Bösen, das am Herzen der Schönheit der Illusion fraß. Fäulnis strömte von ihm aus, um alles zu verderben. Und in dieser übelriechenden Flüssigkeit schwammen die obszöne Gier und die zynische Scheinheiligkeit und die grausame Verderbtheit und all jene Dinge, die die Schöpfer dieses Paradieses versucht hatten zurückzulassen, als sie sich neu erschaffen hatten.
Das Böse strömte aus, um Nadim und Gyrlan einzuschließen, und die Kreaturen darin griffen heraus und versuchten, Mann und Tier zu packen und zu zerreißen. Nadim schlug mit seinem Schwert auf sie ein, aber wo er aus einem Wesen zwei machte, lebten beide, und seine Feinde verdoppelten sich. Da also all sein Kämpfen nichts Gutes bewirkte und nur zu weiteren Drangsalen führte, stieg er auf den tapferen Gyrlan und drängte das Reittier mit heldenhaftem Herzen zu einem solchen Sprung, dass man sich seiner bis in alle Ewigkeit erinnern wird. Unmöglich, dass so ein Sprung gelingen könnte – die Geißel war sicherlich zu breit –, aber der großartige Gyrlan überwand das verwüstende Geschwür genau in dem Moment, als dessen scheußliche Kreaturen sich nach oben warfen, um ihn mit ihren Fängen auszuweiden. Sie brachten Gyrlan den Tod, aber er landete noch mit seinem Reiter auf der anderen Seite des Geschwürs. Dort strömten Blut und Eingeweide aus seinem Bauch, und ein Leben versickerte.
Tief war Nadims Trauer, als er sich von seinem Reittier verabschiedete; der Tränen waren viele, die er vergoss, ehe er von dieser Illusion wegging und schwor, niemals mehr an einen solchen Ort zurückzukehren, egal, wie verführerisch seine Schönheit auch sein mochte. Denn das Böse wird nie ausgelöscht. Es ist immer bei
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