Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
entgegen, explodierten beim Aufschlag und schütteten Mana-Feuer über den Angreifern aus. Die Schreie der ungeschützten Opfer übertönten die Kampfrufe der Überlebenden.
Weißes Feuer loderte auf, als die Wesmen sich der zerstörten Mauer näherten. Das Torhaus am Südtor war zusammengebrochen. Sprüche flackerten am Himmel, Harter Regen ergoss sich auf die Wesmen an der Spitze der Angreifer, Eiswind zerfetzte eine Flanke, ein Quintett Schamanen wurde von den Säulen des Höllenfeuers vernichtet, doch der Angriff der Wesmen geriet nicht ins Stocken.
Auf der Burg rannten Soldaten und Söldner los, um ihre Posten in der Stadt zu besetzen. Ursprünglich sollten es strategisch geplante Rückzugsstellungen sein, doch jetzt wurde eine ungeordnete, verzweifelte Verteidigung daraus.
»Sattelt alle Pferde, die wir haben«, befahl Blackthorne einem Adjutanten. »Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, müssen wir mit Guerillaangriffen in den Vorbergen und auf den Wegen in der Ebene reagieren. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Meute hier über Understone herfällt.«
Die Wesmen erreichten das zerstörte Tor und die Mauern von Blackthorne und strömten durch die Gassen der Stadt. Die bejammernswert schwache Verteidigung wurde einfach weggefegt. Von den noch stehenden Mauern ließen Magier und Bogenschützen Feuer, Eis und Stahl auf die Eindringlinge regnen, doch inzwischen hatten sich die Schamanen wieder zu Gruppen zusammengefunden; häufig prallte der Feuerregen von Schilden ab, und die Pfeile wurden abgelenkt. Wenn ein Angreifer starb, trat ein Dutzend neuer Wesmen an seine Stelle. Sie stürmten durch die Stadt, hielten inne, steckten Gebäude in Brand und machten die Verteidiger, die ihnen an jeder Straßenecke Widerstand leisteten, einfach nieder.
Die Verteidiger auf den Mauern verfolgten den Vorstoß der Wesmen durch die brennende Stadt und griffen an, wo
immer sie konnten, doch oft waren sie selbst die Angegriffenen, denn die Schamanen liefen langsam und mit überheblicher Gelassenheit durch die Stadt und ließen feine Netze von weißem Feuer oder große, vernichtende Flammenzungen los, die sich wie Seile über die Mauerkronen legten. Blackthornes Stadt brannte nieder.
»Diese Runde haben wir verloren«, rief Gresse laut, um das Toben der Wesmen, die Brände, die Schreie der Verletzten und das Knistern der Schamanen-Magie zu übertönen.
Der ernste Baron nickte. Er biss die Zähne zusammen, in seinen Augen funkelten die Tränen. Weniger als zehn Minuten waren vergangen, seit die Schamanen die Mauer zerstört hatten. Er gab das Notsignal. Flaggenmänner und Trompeter verkündeten den Verlust von Blackthorne; die Verteidiger und das Volk zogen sich in die Ausläufer der Blackthorne-Berge zurück.
Von dort aus konnten sie die Wesmen nach Norden bis zum Understone-Pass verfolgen und immer wieder stören. Doch solange die Schamanen über die Magie der Wytchlords verfügten, so fürchtete Blackthorne, war die Eroberung von Ost-Balaia nicht zu verhindern.
Wenn sie schon verlieren sollten, so hoffte er, dass er und Gresse wenigstens noch zuschauen konnten, wie die Wesmen Pontois und die anderen Mitglieder der HAK in der Luft zerrissen. Ein schwacher Trost, aber das war alles, was ihn in diesem Augenblick noch aufrecht hielt. Davon abgesehen war alles verloren, was er besessen hatte.
29
Der Zentraltempel der Wrethsires lag auf einer grünen Lichtung, die von den Hügeln her durch Bäche bewässert wurde. Im Osten hatte sich am Fuß der Garan-Berge ein See gebildet. Die ganze Gegend bot einen friedlichen, stillen Anblick. Die Abgeschiedenheit wurde noch verstärkt durch die Felsen, die sich an zwei Seiten steil und drohend erhoben.
Der Tempel selbst war eine niedrige Kuppel mit einem Durchmesser von etwa zweihundert Fuß, umgeben von vierzig Türmen. Ein einzelner Turm erhob sich inmitten der Planken und Bretter des Holzdachs, und die aus Marmor und Stein gebauten Mauern schimmerten nach dem Regen im Sonnenlicht.
Die Wrethsires waren ein sehr uneinheitliches Volk. Über ganz Balaia waren kleine Tempel verstreut, doch im Westen gab es, verglichen mit dem Osten, nur wenige. Der Orden praktizierte die Magie des Todes, die nichts mit der Mana-Energie zu tun hatte und deshalb den unnachsichtigen Hohn jedes anständigen Magiers auf sich zog.
Sie waren fähig, gewisse Kräfte zu nutzen, so viel musste man ihnen lassen, doch was sie an Magie produzierten,
war instabil und schwer zu bändigen, noch viel schwieriger
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