Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
als das Mana, und es gab zahlreiche glaubwürdige Berichte über Unfälle und Katastrophen, die sich in den zweihundert Jahren, seit der Orden gegründet worden war, immer wieder ereignet hatten.
Der Rabe war spät am vergangenen Abend nach einer nassen, aber sonst ereignislosen Reise durch bewaldete Hügel, tiefe Schluchten und angeschwollene Flüsse eingetroffen. Bei Trockenheit wäre es eine idyllische Landschaft gewesen.
Der Regen hörte erst gegen Morgen auf, und die Stille, die sich daraufhin ausbreitete, war eine willkommene Abwechslung nach dem unablässigen Platschen und Prasseln. Als es hell wurde, stand die Sonne strahlend am wolkenlosen Himmel, und langsam trocknete das Land. Dampf stieg von Blättern, Gräsern und Büschen auf.
Thraun hatte sie in einem dichten Wald, drei Meilen vom Tempel entfernt, anhalten lassen. Bei Tageslicht war es so gut wie unmöglich, sich dem Tempel ungesehen zu nähern, doch Denser hatte sich bereiterklärt, im Laufe des Vormittags unter Tarnzauber einen Erkundungsgang um den Tempel zu unternehmen. Im Augenblick unterhielten sie sich über die Wrethsires.
»Eigentlich ist es eine recht zurückhaltende Organisation«, meinte Erienne.
»Sie haben wohl in der Tat viel zu verbergen«, meinte Denser.
»Aber sie sind doch auf etwas gestoßen, oder?«, fragte Denser.
»Das könnte man sagen.« Denser zuckte mit den Achseln.
»Komm schon, Denser«, knurrte Thraun. »Wir müssen schließlich alle da rein.«
Denser zierte sich ein wenig, bevor er antwortete. »Sie sind in gewisser Weise religiös, und sie haben eine Art von Magie – wenn man den Begriff sehr weit fassen möchte. Diese Organisation betet irgendeine irdische Macht des Todes an und behauptet, sie könne sich diese Kräfte nutzbar machen. Deshalb sei sie gewissermaßen eine Schwesterorganisation der vier Kollegien. Sie sind Scharlatane, ihre Magie ist unzuverlässig, und ihre Behauptung, sie könnten ein fünftes Kolleg bilden, ist nachgerade widerlich. War da sonst noch etwas?« Denser holte die Pfeife aus dem Mantel und stopfte sie aus einem randvollen Tabaksbeutel, dessen Füllung er den Vertretern aus Lystern zu verdanken hatte. Mit einer Flamme auf dem Daumen zündete er sie an.
Hirad zupfte abwesend an einem welken Blatt herum und durchbohrte den Dunklen Magier mit Blicken.
»Denser, falls es dir entgangen sein sollte: Mein engster Freund musste aufgrund unzureichender Informationen sterben. Sieh dich nur an. Oder seht euch alle selbst an, ihr drei Magier. Seht die Verachtung, die ihr für diese Wrethsires empfindet.« Die Angesprochenen regten sich unruhig. »Ich weiß nicht, ob diese Verachtung berechtigt ist, und um ehrlich zu sein, es ist mir auch ziemlich egal. Aber ich und meine anderen Freunde, die jetzt gerade nicht die Nase hoch in die Luft recken, wollen ganz genau wissen, was uns dort drinnen erwarten könnte. Welche Sprüche sie haben, ob sie Waffen benutzen, wie viele es sind, du weißt schon. Wenn du es mir nicht sagen kannst, weil du es nicht weißt, na gut. Aber lass mich nicht im Ungewissen, nur weil du glaubst, es könnte unwichtig sein. Hast du das verstanden?« Er schüttelte den Kopf. »Ihr verdammten Magier auf euren verdammten Podesten.«
Denser dachte über Hirads Worte nach und zog die Augenbrauen
hoch, als er sah, dass Ilkar aus unerfindlichen Gründen ein Schmunzeln unterdrückte.
»Es tut mir leid, Hirad«, lenkte Denser schließlich ein. »Du hast Recht. Aber sie haben keine echte Magie, und du kannst das, was sie tun, nicht als Wirken von Sprüchen bezeichnen.«
»Es ist mir egal, wie du es nennst. Sag mir, was sie tun können, bevor ich wütend werde.«
»Bevor du wütend wirst?« Jetzt kam Ilkars Lächeln vollends zum Vorschein.
»Na schön.« Denser klatschte eine Hand auf seinen Schenkel. »Unser Wissen über die Zauberei der Wrethsires ist lückenhaft. Wir wissen, dass sie vor allem mit Gebeten und in Gruppen arbeiten. Je mehr Sires beteiligt sind, desto beeindruckender wird das Ergebnis. Ihre Macht, wie man es auch nennen will, beruht auf heftigen Elementargewalten wie Wind, Regen, Feuer und so weiter, und natürlich auf der Kraft des Todes, die sie angeblich nutzen können.
Man muss aber berücksichtigen, dass sie diese Gewalten nicht sehr gut beherrschen. Dadurch wird ihr Zauber instabil und unberechenbar für sie selbst, und in diesem Fall eben auch für uns.«
»Wie wirkt sich das denn aus?«, fragte Jandyr.
Denser zuckte mit den Achseln. »Dauer, Kraft,
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