Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
sich eine geschlossene Tür mit zwei Flügeln. Die Türflügel waren schmucklos und massiv, in Brusthöhe waren auf beiden Seiten große Messinggriffe angebracht.
Als er sich der Tür näherte, spürte Hirad eine Schwere in den Gliedern, wie er sie seit dem Kampf mit Isman in
der Burg der Schwarzen Schwingen nicht mehr empfunden hatte. Das Böse drückte auf seine Muskeln, krallte sich in sein Herz und nahm ihm den Mut; es verlockte ihn, sich einfach umzudrehen und wegzurennen. Die Macht der Wytchlords sickerte aus den Wänden, ließ die Fackeln brennen und tränkte die Luft, die er atmete. Der Barbar fühlte sich, als hätte ihm ein Riese die Hand auf die Stirn gelegt und wollte ihn zurückschieben. Denser brach schließlich den Bann. Hirad hörte sein Schnaufen, als sie die Tür erreichten, und er spürte seine Aura pulsieren, als sie sich dem Ziel näherten und sich bereitmachten, das Böse zu vernichten.
Von frischer Kraft beseelt, stieß Hirad den linken Türflügel auf und rannte hinein, Denser folgte ihm dichtauf. Sie befanden sich jetzt in der Pyramide, hier war die Architektur anders als im Gang. Links und rechts neben einer breiten Treppe erhoben sich mächtige Platten aus Marmor und Stein und verloren sich über ihnen in der Dunkelheit. Die Treppe war gut zwanzig Fuß breit und wurde von Fackeln beleuchtet, die in frei stehenden dreibeinigen Eisensockeln steckten. Die Fackelhalter standen auf jeder zweiten der vierzig Stufen. Oben warteten zwei Wächter in roten Umhängen und Kettenhemden. Sie waren mit langen Krummsäbeln bewaffnet. Zeremonielle Waffen, aber nichtsdestotrotz gefährlich.
»Bleib hinter mir, Denser.«
»Ich habe nicht die geringste Absicht, irgendetwas anderes zu tun.«
Die Wächter traten dicht an das obere Ende der Treppe und blieben stehen.
»Ihr kommt zu spät. Die Meister erwachen bereits. Kniet nieder, oder ihr werdet vernichtet.«
»Spart euch die Luft für eure Gebete«, knurrte Hirad.
Er startete einen heftigen Angriff gegen den rechten Mann, setzte niedrig an und beugte sich vor, um ihm die Klinge quer über die Schenkel zu ziehen. Der Wächter hatte einen höheren Schlag erwartet und nahm sein Schwert zu spät herunter. Hirads Klinge brachte ihm eine schwere Verletzung knapp über dem Knie bei. Als das Bein einknickte, stürzte der Mann, und Hirad sprang über ihn weg und griff den zweiten Wächter an. Er lachte.
»Na, willst du es auch mal versuchen?« Er wartete nicht auf die Antwort, sondern täuschte einen Angriff an, wich zur Seite aus und packte sein Schwert mit beiden Händen, um dem Gegner einen Schlag auf die Brust zu versetzen. Der Wächter konnte den Schlag abblocken, doch er taumelte unter der Wucht zurück. Hirad war im Nu über ihm und schlug wieder und wieder zu, bis die Deckung unten war, und dann, als das Gesicht schutzlos war, traf er ihn an der Kinnspitze. Der Mann ging geräuschlos zu Boden. Als er sich umdrehte, sah er, wie Denser seinen Dolch aus dem Herzen des ersten Wächters zog.
Die Treppe führte zu einem mit Marmor verkleideten Gang, der etwa dreißig Fuß lang war. Auch hier erhellten Fackeln, die in Wandnischen befestigt waren, den Weg. Das Flackern erweckte das komplizierte Mosaik zum Leben. Rot gekleidete Menschen verneigten sich vor sechs großen Gestalten, deren Köpfe in Licht gehüllt waren. Hirad ignorierte die Bilder und rannte durch den Gang, den Blick allein auf die offene Tür vor ihm gerichtet. Sie war klein, ähnlich dem Eingang eines Hauses, doch dahinter war eine Bewegung zu erkennen. Er schmiegte sich dicht davor an die Wand und spähte hinein. Der Anblick verschlug ihm den Atem.
Sechs Sarkophage, wie die Speichen eines Rades angeordnet und jeder mehr als neun Fuß lang, beherrschten
den Raum. Die Kopfenden zeigten nach innen. Davor beteten in dem von Kerzen erhellten Raum die Hüter. Zwölf waren es, zwei für jeden Sarg. Mit gesenkten Köpfen sprachen sie Anrufungen in einer Sprache, die Hirad nicht verstand. Schon von seinem Standort aus konnte Hirad die Kälte in der Kammer fühlen. So kalt war es nicht einmal mitten im Winter in den Blackthorne-Bergen. Der Atem der Hüter drang in Wölkchen aus ihrem Mund, wenn sie sprachen. Ein dumpfes Pochen hallte durch den Raum.
»Denser, wir sind da«, hauchte er.
Der Dunkle Magier kam zu ihm. »Ich brauche einige Minuten, um den Spruch zu wirken.«
»Dann fang an.«
Denser zog sich ein Dutzend Schritte zurück, breitete die Katalysatoren vor sich auf dem Marmorboden aus und
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