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Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung

Titel: Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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»Ich hatte gehofft, eine Hüterin der Dordover-Magie wie Ihr könnte meine Bildungslücken füllen.«
    »Das ist einer Eurer Trugschlüsse«, sagte Erienne. »Ihr nehmt an, wir hätten geheime Texte.«
    »Aber Septern war ein Dordover-Magier«, wiederholte der Hauptmann.
    »Ja, das war er. Und er war ein Genie, seiner Zeit so weit voraus, dass es uns bis heute nicht gelungen ist, seine Arbeit vollständig nachzuvollziehen.« Erienne pflückte
einige Weintrauben aus der Obstschale und aß sie. Die Kerne spuckte sie in die Hand und warf sie anschließend ins Feuer.
    Der Hauptmann beugte sich stirnrunzelnd vor. »Aber er muss doch über seine Erkenntnisse berichtet haben. Ich weiß, dass dies von jedem Magier verlangt wird.«
    »Septern hat sich nicht an die Regeln gehalten.« Erienne seufzte, als das Stirnrunzeln des Hauptmanns sich vertiefte. »Hört mir zu, Ihr müsst eines verstehen. Septern war ein Rückfall in jene Zeiten, bevor die Kollegien sich voneinander getrennt haben.«
    »Dann war er also nicht nur seiner Zeit voraus, sondern auch seiner Zeit hinterher.« Der Hauptmann lächelte selbstzufrieden über seinen Scherz und entblößte braune, faulende Zähne in entzündetem rotem Zahnfleisch.
    »Ja, ich denke schon. Offenbar war er fähig, die Lehren auf einer sehr grundlegenden Ebene zu verstehen, und deshalb konnte er die Überlieferungen von Dordover, Xetesk und Julatsa mit unterschiedlichem Erfolg lesen und begreifen. Er war brillant, aber er war auch überheblich. Er lebte außerhalb des Kollegs, berichtete nur selten über seine Arbeit und führte kaum verständliche Tagebücher über seine Forschungen, und diese Tagebücher sind nicht einmal vollständig in unserer Bibliothek vorhanden. Xetesk besitzt einige davon, andere gingen in seinem Haus verloren – vorausgesetzt, er hat überhaupt all das aufgeschrieben, was er unserer Ansicht nach zu tun imstande war.« Erienne trank einen Schluck Wein. »Kann ich bitte etwas Wasser haben?«
    »Gewiss.« Der Hauptmann stand auf und öffnete die Tür; draußen im hallenden Flur war zu hören, wie ein Mann Haltung annahm. »Wasser und ein Glas. Sofort.« Er kehrte zu seinem Sessel zurück. »Eine interessante Geschichte. Ich weiß natürlich von seinem Haus. Ich habe mehrmals Männer
in die Ruinen geschickt. Nun sagt mir, wie ist der Stand Eurer Dimensionsforschung, und was wollt Ihr damit erreichen?«
    Erienne öffnete den Mund und wollte etwas sagen, dann besann sie sich und dachte über ihre Antwort nach. Es war viel zu leicht. Der Hauptmann war überhaupt nicht das, was sie geglaubt hatte. Sie war sicher, dass sie ihn ewig hassen würde, weil er ihre Kinder entführt hatte, doch sein Verhalten war verwirrend. Da saß sie nun in einem warmen Zimmer, sie hatte gutes Essen bekommen und höfliche Fragen nach ihrer Arbeit für das Kolleg beantwortet. Bisher hatte er nichts gefragt, was er nicht auch ganz offen beim Kolleg hätte in Erfahrung bringen können. Es musste mehr dahinterstecken, die Frage war nur, wann er damit herausrücken würde. Sie hatte das unbehagliche Gefühl, er suchte sie in Sicherheit zu wiegen, damit der unausweichliche Schlag umso härter traf. Sie nahm sich vor, wachsam und aufmerksam zu bleiben.
    »Nach allem, was wir bisher über Septern wissen, hat er in der Dimensionsmagie große Fortschritte gemacht. Er hat ein stabiles, sich selbst erhaltendes Portal geschaffen, mit dessen Hilfe man zwischen bestimmten Dimensionen wechseln konnte, und wir glauben, dass er weite Reisen unternommen hat. Einige seiner schwer verständlichen Schriften legen diese Vermutung jedenfalls nahe. Dordover ist weit davon entfernt, sein Wissen über Dimensionstore nachvollziehen zu können. Wir können nicht reisen, wir können nicht hinüberblicken. Bisher können wir nur andere Dimensionen erkunden und Eigenheiten von Land und Meer aufzeichnen. Um schnellere Fortschritte zu machen, würden wir Septerns verlorene Texte brauchen. Wir glauben, in seiner Magie sind die Überlieferungen mehrerer Kollegien vermischt.«

    »Und wohin soll diese Forschung Eurer Ansicht nach führen?«
    »In andere Dimensionen. Wir wollen forschen und Karten zeichnen und anderen Lebensformen begegnen. Es gibt unendliche Möglichkeiten.« Entgegen ihrem Willen brach Eriennes Begeisterung über diese Aussichten durch.
    »Ihr wollt erobern, unterwerfen, beherrschen und stehlen.« Die Stimme des Hauptmanns war hart, aber nicht schroff.
    »Gibt Euch dies Anlass zur Sorge?«
    Er nickte.

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