Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
auf der anderen Seite meine Bedenken. Wie sollte ich dagegen ankommen?«
»Ich kann immer noch nicht erkennen, wo das Problem liegen soll«, sagte Richmond. »Wir sind hier, wir sind in Sicherheit, das Geld wird überwiesen. Wir haben uns die Möglichkeit erkauft, uns freier zu bewegen.«
»Falls wir überleben und das Geld ausgeben können«, murmelte Ilkar.
»Jetzt übertreibst du aber«, meinte Sirendor.
»Du kennst sie nicht«, gab Ilkar nachdenklich zurück. »Ich kenne sie. Wenn er uns in etwas hineingezogen hat, dann sind wir austauschbar. Xetesk hat keinen Kodex, und sie folgen keinen festen Regeln.« Er hielt inne. »Hört mal, ich sage doch nur, dass ihr bei Denser vorsichtig sein sollt. Vielleicht haben wir heute noch einmal Glück gehabt, aber wir müssen erst einmal abwarten und sehen, wie der Hase läuft.«
»Niemand kann uns zwingen, noch einmal für Xetesk zu arbeiten«, stellte Hirad gelassen fest.
»Das ist richtig, niemand kann uns zwingen«, antwortete Ilkar.
»Wir müssen überhaupt für niemanden mehr arbeiten.« Talans Worte wurden mit Schweigen quittiert. Hirad stand steifbeinig auf und ging zum Tisch, auf dem die Getränke standen. Er schenkte sich Wein ein und brachte die Flasche und noch einige weitere Gläser zum Kamin mit. Wer noch nicht versorgt war, bediente sich jetzt.
»Wir müssen schon lange für niemanden mehr arbeiten, aber ich weiß, was Talan damit meinte«, sagte der Unbekannte. »Die zweihundertfünfzigtausend bedeuten, dass wir alles tun können, was wir uns ganz zu Anfang überlegt haben, und alles, was wir nie zu träumen wagten. Stellt euch nur vor, welche Möglichkeiten wir jetzt haben.«
»Ich glaube, du solltest besser damit beginnen, dass du mir erzählst, was gestern Abend vor sich gegangen ist und was du da gesagt hast.« Hirad leerte seinen Becher und schenkte sich nach.
»Wir haben versucht, dich zu wecken. Wir hatten nicht die Absicht, dich auszuschließen«, sagte Sirendor. »Wir haben die Burg verlassen, um uns zu Richmond zu gesellen. Ich weiß nicht, wie es den anderen ging, aber als ich Ras’ Grab vor mir sah, bekam ich zum ersten Mal Angst, eines Tages könnte es auch mich erwischen. Oder Ilkar …« Er machte eine ausholende Geste und nickte Hirad zu. »Oder dich. Das will ich nicht. Ich will eine Zukunft haben, solange ich noch jung bin und sie genießen kann.«
»Dann ist die Entscheidung gefallen?«, erwiderte Hirad schroff.
Sirendor holte tief Luft. »Als wir geredet haben, wurde deutlich, dass wir alle das Gleiche gedacht haben. Bei den Göttern, Hirad, selbst du hast in den letzten zwei Jahren schon davon gesprochen, einfach aufzuhören. Wir wollen
alle überleben. Talan will reisen, Ilkar will unbedingt nach Julatsa zurück. Ich … ach, du weißt ja, was ich will.«
»Ehemann und Vater sein, was?« Hirad lächelte, obwohl ihm das Herz bis zum Hals schlug und ein Knoten seine Kehle zuschnürte.
»Ich muss nur aufhören zu kämpfen, dann kann der Bürgermeister mir die Heirat nicht mehr verwehren. Du weißt doch selbst, wie das ist.« Sirendor zuckte mit den Achseln.
»Allerdings. Sirendor Larn wurde von der Tochter des Bürgermeisters gezähmt. Früher oder später musste das ja passieren.« Hirad wischte sich den linken Augenwinkel trocken. Auf einmal herrschte im Hinterzimmer eine gespannte Atmosphäre, und die Aufmerksamkeit der Kameraden war ganz und gar auf ihn gerichtet. »Du weißt, dass ich dir nicht im Weg stehen will.«
»Ich weiß«, sagte Sirendor, aber der Blick, den sie wechselten, sprach Bände.
»Du kannst doch sicher erkennen, wie vernünftig es ist«, sagte der Unbekannte. Hirad starrte ihn nur an. »Bei den Göttern, Hirad, ich bin seit einem Dutzend Jahren Mitbesitzer dieses Gasthofs, und in dieser langen Zeit habe ich höchstens ein Dutzend Mal hinter der Theke gestanden.«
»Was ist mir dir?« Der Barbar wandte sich an Richmond.
»Vor dem gestrigen Tag war ich noch nicht sicher«, erklärte der blonde Krieger. »Aber ich bin müde, Hirad. Sogar herumzustehen und darauf zu warten, dass etwas passiert, ermüdet mich schon. Ich …« Er hielt inne und rieb sich mit drei Fingern über die Stirn. »Gestern habe ich einen Fehler gemacht, den ich mir vorwerfen werde, bis ich ins Grab sinke. Im Augenblick traue ich es mir nicht einmal mehr zu, ordentlich in der Schlachtreihe zu kämpfen, und ich wäre überrascht, wenn du es könntest. Das gilt auch für die anderen.«
Wieder gab es ein gedehntes, unbehagliches
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