Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
blieben vier Tage bei Blackthornes Leuten, bis wir schließlich die Bucht von Gyernath durchquerten. Wir haben keine brennenden Dörfer gesehen, keine marschierenden Heere und keinen Hinweis darauf, dass die Wesmen Überfälle verübt hätten. Wenn sie sich wirklich irgendwo zusammenrotten, dann tun sie dies in ihrem eigenen Land auf der südwestlichen Halbinsel. Es tut mir leid, dass ich Euch enttäuschen muss.«
»Aber das war schon vor sechs Monaten.« Gresse zog das weiche Gras und das Heidekraut einem Steinblock vor und setzte sich neben ihn.
»Das mag ja sein, aber Baron Blackthorne macht sich meines Wissens tatsächlich keine Sorgen wegen einer Invasion der Wesmen«, sagte der Unbekannte. Er suchte kurz in seinem Gepäck herum und zog einen kleinen Lederbeutel heraus, der mit einem Korken verschlossen war. »Hier, Sirendor. Hier ist Salz.« Er warf den Beutel zu dem Krieger hinüber, der aufsprang und ihn mit einer Hand fing. »Aber benutze es dieses Mal auch wirklich. Dadurch wird deine Suppe womöglich nahezu genießbar.« Hirad lachte, während Sirendor fluchte.
»Er sollte sich aber Sorgen machen.« Gresse dachte eine Weile nach. »Wie hat der Pass ausgesehen?«
»Er war gut bewacht. Tessaya ist kein Narr. Er verdient eine Menge an den Zolleinnahmen dort, und er wird ihn gewiss nicht der Handelsallianz oder einem rivalisierenden Stamm überlassen.« Der Unbekannte kratzte sich an der Nase.
»Kasernen?«
»Verrammelt und leer.« Der Unbekannte schüttelte leicht den Kopf. »Er hat zu beiden Seiten des Passes größere Wachabteilungen stationiert, aber er hat sich nicht auf eine Belagerung vorbereitet.«
»Danke«, sagte Gresse. »Ich danke euch beiden. Entschuldigt, dass ich Euch bedrängt habe.«
Talan zuckte mit den Achseln. »Schon gut. Ich nehme an, Ihr habt noch andere Quellen?«
»Neuer sind sie in der Tat, und nicht weniger zuverlässig. Der Pass sei nach Osten hin abgeriegelt, er sei von Wesmen besetzt, und aus dem Südwesten kämen Kampfabteilungen. Wenn dies wahr ist, dann stecken wir in Schwierigkeiten. Wir haben keine organisierte Verteidigung, und weder Blackthorne noch die Kollegien sind stark genug, um Gegenwehr zu leisten. Haltet nur die Augen und Ohren offen, um mehr bitte ich Euch gar nicht.« Gresse seufzte. »Ich kann wohl nicht hoffen, die Barone bei dieser Sitzung zu einem Bündnis zu überreden, wenn Blackthorne nicht dabei ist. Ich hoffe nur, es ist nicht schon zu spät.«
Talan zog die Augenbrauen hoch. »Glaubt Ihr denn wirklich, dass es so ernst ist? Ist etwas dran an den Gerüchten über die Wytchlords?«
Gresse schnaubte erbost. »Ja, es ist so ernst. Es ist gut möglich, dass wir bald um unser Land kämpfen müssen. Und was die Wytchlords angeht, so können wir uns für
immer von Balaia verabschieden, falls sie durch irgendein garstiges Wunder zurückgekehrt sein sollten.«
Das Feuer erwachte knackend zum Leben, und die Flammen malten bleiche Schatten auf die im Sonnenlicht liegenden Wände des Passes. Die Männer schwiegen, jeder hing seinen Gedanken nach und starrte ins hypnotische Flackern. Es war ein guter Augenblick, um eine Weile still zu sein. Sirendors Fleischbrühe wurde ausgeteilt und schmeckte tatsächlich gut.
Der Trupp ritt durch Korinas Osttor in die Stadt, als die Sonne hinter einigen hohen Gebäuden versank. Manch ein Besucher wurde aufgehalten und durchsucht, doch der Rabe wurde wie immer einfach durchgewinkt und durfte sich ungehindert unter das Gedränge auf den gepflasterten Straßen mischen, wo der nachmittägliche Handel Korinas stattfand.
»Manchmal ist es schon ein Vorteil, zum Raben zu gehören«, bemerkte Sirendor. »Es gibt nicht so viele von unserer Sorte, wie du vielleicht glauben möchtest.« Denser schwieg sich aus.
Kurz nachdem sie die Stadt betreten hatten, verabschiedeten sich Gresse und seine Männer und wandten sich nach Süden zu den Büros der Handelsallianz. Dort standen den Baronen stark bewachte Gemächer zur Verfügung.
Korina war die Hauptstadt von Ost-Balaia. Die Bevölkerung lag seit langer Zeit bei etwa zweihundertfünfzigtausend Menschen, und wenn große Feste anstanden oder der Handel besonders lebhaft wurde, konnten es auch bis zu dreihunderttausend sein. Die meisten Kaufleute kamen mit Handelsflotten aus den Ländern im Osten und Süden des nördlichen Kontinents. Korina lag an der Mündung des Flusses Kour, und man hatte sichere Tiefwasserhäfen angelegt,
die aus dem Süden Händler anlockten und dazu
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