Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
der Faust klappern. Hin und wieder warf er einen in das langsam fließende Wasser. Thraun setzte sich neben ihn und riss ihn aus den Gedanken.
»Bei den Göttern …«
»Entschuldige«, sagte Thraun. Er schob sich abwesend den Pferdeschwanz in den Nacken.
»Wie kannst du nur so leise laufen?« Aluns Frage war nur zum Teil scherzhaft gemeint.
»Übung«, sagte Thraun. »Nun komm schon, erzähle mir, was dich beschäftigt, und dann sage ich dir, warum du dir keine Sorgen machen solltest.«
Alun errötete und warf Thraun einen harten Blick zu. Seine Augen schimmerten feucht.
»Ist das nicht offensichtlich?« Seine Stimme war viel zu laut für den friedlichen Ort am Flussufer. »Wir kommen viel zu langsam voran. Wenn wir dort sind, werden sie schon tot sein.«
»Alun, ich weiß, was ich tue. Deshalb hast du dich an mich gewandt. Erinnerst du dich?« Thraun bemühte sich, ruhig und verständnisvoll zu sprechen, auch wenn die gewohnte Grobheit immer noch herauszuhören war. »Wir wissen, dass es bei der Entführung nicht um Mord ging, denn sonst hätten die Entführer sie gar nicht erst verschleppt. Wir wissen auch, dass Erienne so viel Zeit herausschinden wird wie möglich, und sie wird so kooperativ sein wie nötig, während sie auf Rettung oder Freilassung wartet. Ich weiß, wie schwierig dies für dich ist, und ich würde mich genauso fühlen wie du jetzt, aber du musst einfach geduldig sein.«
»Geduldig.« Aluns Stimme klang bitter. »Wir sitzen hier herum, wir essen und schlafen in aller Ruhe, und meine
Frau und meine Kinder stehen schon mit einem Fuß im Grab. Wie kannst du nur so berechnend sein? Du spielst mit ihrem Leben.«
»Beruhige dich«, zischte Thraun. Das Gelb in seinen Augen flackerte ein wenig. »Dein Geschrei zieht nur unwillkommene Aufmerksamkeit auf uns. Hör zu. Ich verstehe deine Schmerzen und deinen Wunsch, ständig in Bewegung zu bleiben, aber glaube mir, ich spiele mit niemandes Leben. Wir können es uns nicht erlauben, einfach dorthin zu rennen, denn dann werden wir abgeschlachtet. Wenn wir deine Angehörigen retten wollen, dann müssen wir ausgeruht und wach sein. Und jetzt komm bitte und iss.«
»Ich habe keinen Hunger.«
»Du musst etwas essen. Du tust dir keinen Gefallen, wenn du hungerst, und du kannst nicht mehr klar denken.«
»Es tut mir leid, aber ich kann nicht einfach hier herumsitzen und überhaupt nichts tun!« Aluns Stimme ließ einige Vögel aus den Bäumen fliehen.
Aus dem Nichts erschien auf einmal Will und presste Alun die Hand auf den Mund. Die Augen des kleinen Mannes funkelten wild, und sein Gesicht zeigte Wut und Verachtung.
»Oh, du tust ja schon etwas. Du setzt mit deinem Geblöke mein Leben aufs Spiel. Hör auf damit, sonst schlitze ich dir die Kehle auf, und dann können wir weiterreden.«
»Will, lass ihn los!«, knurrte Thraun. Er wollte aufstehen, doch Wills Blick ließ ihn innehalten. Alun starrte Thraun erschrocken an und flehte mit Blicken um Hilfe, die der Freund ihm aber nicht geben konnte oder wollte.
»Wir werden deine Angehörigen auf die Weise herausholen, die wir für die beste halten«, sagte Will dicht vor Aluns Ohr. »Wir werden langsam und vorsichtig vorgehen, weil wir auf diese Weise lebendig wieder herauskommen.
Ob du nun mit uns kommst, oder ob du mit dem Gesicht nach unten hier im Wasser liegst, ist mir ziemlich egal, weil ich so oder so meinen Sold bekomme. Ich glaube, deine Familie will dich aber lieber lebendig sehen, und deshalb rate ich dir, dein vorlautes Maul fest geschlossen zu halten.« Er stieß Alun von sich und marschierte an Thraun vorbei. »Lass niemals Kunden mitkommen.«
Jandyr saß auf der anderen Seite des Ofens, auf dem ein Topf mit Wasser kochte. Er hielt inne und beobachtete den Wortwechsel am Rand des Flusses. Ihm wurde schwer ums Herz. Er konnte leicht sehen, warum sie nie ein echtes Bergungsteam werden konnten, obwohl alle Zutaten vorhanden waren.
Sie hatten den Meisterdieb, den schweigsamen Fährtensucher und den Jäger. Alle waren gut, alle konnten kämpfen, und alle hatten etwas im Kopf. Aber die Persönlichkeiten passten nicht. Trotz seiner Größe und Ausstrahlung war Thraun zu sanft und zu leicht zu überreden. Ein Beweis dafür war die Tatsache, dass Alun bei ihnen war, statt zu Hause Kerzen anzuzünden. Will dagegen war viel zu leicht erregbar. Seine Sehnsucht nach Stille und Kontrolle sprach dafür, dass er innerlich alles andere als ruhig war, und dies passte nicht recht zu seinem Beruf.
Wenn er
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