Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
Bucht von Triverne und ließen das Boot vom auffrischenden Wind zu der Stelle treiben, wo am Ostufer die Blackthorne-Berge bis dicht ans Wasser reichten. Wenigstens konnte der Xeteskianer seinem Bedürfnis nachgehen und das Segeln lernen. Weiter draußen auf der Wasserfläche machten sich die Gezeiten bemerkbar, und die Wellen wurden höher. Dort war das leicht kabbelige Wasser in Ufernähe nur noch eine ferne Erinnerung an bessere Zeiten. Das kleine Boot, das unter der Führung seiner beiden Kapitäne niemals wirklich in Gefahr geriet, rollte und stampfte in den Wellen, kam aber mit prallem und voll gesetztem Segel gut voran.
Etwas stimmte allerdings nicht. Ilkar hatte sich immer für recht empathisch gehalten, doch er war bestürzt, weil vor allem Hirad keine Ahnung hatte, dass es um weit mehr ging als um die Tatsache, dass Thraun seine menschliche Gestalt nicht mehr angenommen hatte.
Für Ilkar war es so klar zu sehen wie die Sonne an einem wolkenlosen Tag. Er hatte den Rat des Unbekannten beherzigt und den Blick auf den Horizont gerichtet. Die anfängliche Übelkeit ließ rasch nach, während sein Gehirn sich auf die neue Perspektive einstellte. Nach einer Weile konzentrierte er sich jedoch wieder auf die anderen Insassen des Bootes. Es war die Stille. Zuerst hatte Hirad noch einige Bemerkungen gemacht und unpassende Dinge gesagt, wie er es in entspannten Situationen oft tat, doch mehr als ein leises Kichern oder einsilbige Antworten kamen
nicht zurück. Schließlich kam überhaupt keine Reaktion mehr, und er hatte mit den Achseln gezuckt und wie die anderen geschwiegen. Doch diese Stille sah dem Raben überhaupt nicht ähnlich. Sie hatten kaum darüber gesprochen, welchen Weg sie einschlagen mussten, wenn sie das Ostufer erreicht hatten, abgesehen davon, dass sie Pferde beschaffen und nach Julatsa reiten wollten. Darüber hinaus schien es keinen Plan zu geben, und solange der Unbekannte die Diskussion nicht weitertrieb, war kein Anlass zum Reden vorhanden.
Ilkar ignorierte seinen protestierenden Magen und den schwimmenden Kopf und betrachtete den großen Mann. Er spürte eine Kälte auf seinen ganzen Körper übergreifen. Der Unbekannte war noch nie besonders leutselig gewesen, doch er hielt stets die Augen offen und spielte gern und geschickt den Schutzengel, der Gefahren für seine Freunde erkannte, bevor sie tödlich werden konnten. Doch jetzt war er in sich zurückgezogen. Ilkar sah, wie er gelegentlich zu den anderen schaute, oder auch zum Segel hinauf, und manchmal murmelte er eine Bemerkung, dass Denser die Position des Ruders ändern oder eine Hand voll Hauptsegel auslassen sollte.
Sonst blickte er gerade nach vorn und hatte die Augen geschlossen, oder er starrte die Bodenbretter zwischen seinen Beinen an und ließ die Schultern hängen. Ilkar wusste, was ihn beschäftigte, und man konnte nichts tun, um ihm zu helfen. Er hatte sich in der kurzen Zeit als Protektor verändert. Nicht wegen des harten Regiments, mit dem die Dämonen sie unter dem Bann hielten, sondern wegen der Nähe der Seelen im Seelenverband von Xetesk.
Er hatte dies in den Tagen nach seiner Freilassung erklärt, und inzwischen hatte man fast glauben können, es gelinge ihm schließlich doch noch, die Erinnerungen an die
Bindung abschütteln, doch jetzt, als sie in den Osten zurückkehrten, waren auch die Erinnerungen wieder da. Denn jeder Augenblick, der verging, brachte sie den Kollegien näher. Er näherte sich Xetesk und dem Seelenverband, aus dem seine Seele gerissen worden war. Ilkar fragte sich, ob er die anderen noch rufen hörte.
»Unbekannter?«, sagte Ilkar. Der große Mann schaute auf, seine Augen waren traurig und voller Schmerzen. »Kannst du sie fühlen?«
Der Unbekannte schüttelte den Kopf. »Nein. Aber sie sind dort, und ich bin hier. Ich höre ihre Stimmen in meiner Erinnerung, und sie ziehen an den Strängen, die mit meinem Herzen verbunden sind. Die Leere in meiner Seele hat sich nicht gefüllt. Ich glaube, sie wird sich niemals wieder füllen.«
»Aber …«
»Bitte, Ilkar. Ich weiß, dass du mir helfen willst, aber das kannst du nicht. Niemand kann mir helfen.« Der Unbekannte starrte wieder den Boden des Bootes an, und die folgenden Worte waren an niemanden gerichtet. »Um zu den Drachen zu gelangen, muss ich an meinem Grab vorbeigehen.«
Ilkar spürte einen Stich in der Brust, und er atmete scharf ein. Er fing Densers Blick auf. Der Dunkle Magier sah nicht besser aus als der Unbekannte, und Ilkar war
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