Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
brach der Rabe zum Tal des Triverne-Flusses auf. Thraun strich in der Nähe der Gruppe umher. Die Landschaft, die sich vor ihnen ausbreitete, war selbst im schwachen Licht der frühen Morgendämmerung anmutig, auch wenn vieles noch in tiefem Schatten lag.
Nach Nordosten erstreckten sich sanfte Hügel, die mit raschelndem Farn bewachsen waren, hier und dort sah man auch einzelne Baumgruppen und niedrige Büsche, die Teiche voller Findlinge umgaben. Schiefergraue Felswände durchbrachen das Grün und Braun der Pflanzen.
Im Südosten, wohin sie nun gingen, bot sich ein ganz anderer Anblick. Hinter einer sanften Steigung fiel das Land abrupt zum Fluss Triverne hin ab, der im Tal gemächlich zwischen grünen Wiesen mit saftigem Gras dahinströmte.
Die Flussufer boten Eichen und Weiden mit dicken Stämmen eine Heimat, wilder Weißdorn wuchs dazwischen, und manchmal ragten an flachen Stellen des Flusses,
der hier eine Viertelmeile breit war, abgeschliffene Felsen hervor, die bei Hochwasser überspült wurden.
Im Südwesten erhoben sich die schwarzen Berge der größten Gebirgskette Balaias bis zum Himmel. Tafelberge wechselten dort mit spitzen Gipfeln, und steile Flanken liefen in weitläufigen Vorbergen aus, die sich schließlich im fruchtbaren Tiefland des Ostens verloren. Aus der Nähe betrachtet, schien das Gebirge eine ungeheure Macht auszustrahlen, und Hirad fragte sich, ob Baron Blackthorne, dessen Familie den Namen der Berge angenommen hatte, sich jemals so gefühlt hatte wie er jetzt. Winzig in der Gegenwart einer außerordentlichen Größe. Balaia lebte, solange diese Berge standen. Wenn aber die feindlichen Drachen in so großer Zahl durch den Riss flogen, dass die Brut Kaan sie nicht mehr aufhalten konnte, dann würden sich die Blackthorne-Berge in eine öde Wüste verwandeln. So weit durfte es nicht kommen.
Aus der Nähe wurde deutlich, dass die Vegetation an beiden Ufern des Triverne-Flusses zwar eine ausgezeichnete Deckung bot, das Vorankommen aber sehr erschwerte. Ständig von Thraun umkreist, drangen die Rabenkrieger so weit ins Landesinnere vor, wie sie es wagten, während vor ihnen das Tageslicht an Kraft gewann. Schließlich arbeiteten sie sich aus dem offenen Land ermüdet wieder zum Wasser zurück und fanden eine kleine Lichtung, auf der sie Wills Ofen aufbauen konnten, den der Unbekannte immer noch trug. An ihrem Lagerplatz waren sie vor Blicken vom Südufer und aus nördlicher Richtung geschützt. Thraun war verschwunden, doch niemand bezweifelte, dass er genau wusste, wo sie waren.
»Es ist gut, auf dieser Seite der Blackthorne-Berge zu sein«, meinte Hirad, der entspannt an einem Baum saß. Es war angenehm zu spüren, wie sich die Borke durch den Lederpanzer
in die steifen Rückenmuskeln drückte. Er löste die Schnüre seines Wamses und amtete tief durch. Der Unbekannte sagte nichts, sondern starrte nur in den Wald. Denser schüttelte den Kopf.
»Es ist den Preis nicht wert, den wir anscheinend zu bezahlen haben«, meinte Will.
Das war nicht unbedingt ein Kommentar, mit dem Hirad gerechnet hatte. Er schniefte und warf einen Blick zu Ilkar, dessen bekümmertes Gesicht keine Überraschung über die gedämpfte, wenn nicht gar deprimierte Stimmung verriet.
»Vielleicht sollten wir eine Weile schlafen«, sagte Hirad.
»Wir brauchen Thraun«, meinte der Unbekannte. »Wir brauchen seine Sinne und seine Witterung. Wenn dieses Gebiet hier überwacht wird, womit ich rechne, dann könnten wir ohne Vorwarnung große Schwierigkeiten bekommen.«
»Kannst du nicht an seiner Stelle die Spuren lesen?«, fragte Erienne.
»Nein, leider nicht«, gab der Unbekannte zurück. »Ganz gewiss nicht so fehlerlos wie Thraun.«
»Wie habt ihr das eigentlich gemacht, bevor wir zu euch gestoßen sind?«, fragte Will, dessen Augen unablässig im Unterholz nach dem Freund suchten.
»Es ist ganz anders verlaufen als diese Reise hier«, sagte Hirad. »Normalerweise sind wir bei hellem Tageslicht in eine Festung oder aufs Schlachtfeld geritten, haben den ganzen Tag gekämpft, unseren Sold kassiert und waren fertig. Wir mussten uns nicht verstecken.«
»Nun ja, wir müssen eben einfach vorsichtig sein«, meinte Denser tonlos.
»Wir haben keine Zeit, vorsichtig zu sein«, widersprach Ilkar scharf. »Wenn die Bibliothek in Julatsa zerstört wird, bevor wir dort eintreffen …«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Denser. »Du musst mir keine Vorträge darüber halten.«
»Warum denn nicht? Du scheinst es nicht besonders
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