Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
gewinnen, die von allen Ratsmitgliedern unterstützt wurde. Sie gaben ihr Mana in die wachsende Form hinein, die nach wenigen Augenblicken das ganze Kolleg erfasste und sogar ein wenig darüber hinausreichte.
Es war eine langsam rotierende Mana-Scheibe, die alle möglichen gelben Schattierungen und einige schwarze Einschlüsse besaß. Nacheinander gaben die Ratsmitglieder bekannt, dass sie bereit waren, indem sie der Scheibe im Zentrum ihre Signatur verliehen. Als alle fertig waren, sprach Kerela wieder.
»Jetzt, Kard. Genau jetzt. Vilif, du hast das Kommando.«
»Sonnenlicht«, sang der alte Magier. »Als Blitz angewandt.« Sofort verschwand die Mana-Form. Barras schloss die Augen und bedeckte sie mit den Händen. Weißes Licht flutete über den Hof und blendete alle, die ihre Augen nicht rechtzeitig abgeschirmt hatten. Selbst Barras konnte die Kraft des Lichts spüren, dessen Wirkung, wenngleich nur vorübergehend, zugleich schmerzhaft und erschreckend war. Sie waren ein großes Risiko eingegangen.
Erschrockene Rufe und Schmerzensschreie hallten über den Hof, und hundert Waffen fielen klappernd auf den Stein. Barras öffnete die Augen und sah Leute, die an Ort und Stelle zusammengebrochen waren. Andere rannten blindlings davon, weil ihnen vorübergehend der Gesichtssinn genommen war. Die Wut war dem Drang gewichen, sich in Sicherheit zu bringen.
»Lasst uns gehen«, befahl Kard. Er führte den Rat über die kurze Distanz bis zum Turm und sorgte dafür, dass sie wohlbehalten drinnen waren, ehe er weitere Befehle gab und seine Männer einteilte, damit sie wichtige Gebäude des Kollegs bewachten. Barras schloss die Tür des Turms
und folgte dem Rat die lange Außentreppe hinauf bis zum ersten Wehrgang. Dort sammelten sie sich und betrachteten das Ergebnis ihrer gemeinsamen Anstrengung.
Der Spruch hatte zweifellos gewirkt. Der Gemeinschaftsgeist der Leute war gebrochen, und sobald sie wieder sehen konnten, flohen sie vom Platz. Einige aber harrten aus, und sie waren verärgert.
»Wo bleiben nur die Dordovaner?«, sagte Endorr. Er war leichenblass und starrte nach Norden. Von dort mussten die Dordovaner kommen, doch vor den Mauern des Kollegs waberte der graue Dämonenschirm.
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Kerela. »Aber der arme Mann hatte Recht. Sie müssten schon längst hier sein. Wenn sie umgekehrt sind oder getötet wurden, dann kann uns nichts mehr retten. Der letzte Kampf um dieses Kolleg hat begonnen, meine Freunde. Wir haben drinnen und draußen Feinde, und wir müssen bald etwas tun. Wenn die Ruhe wiederhergestellt ist, müssen wir uns mit Kard treffen und den Tag benennen, an dem wir die Belagerung durchbrechen wollen.«
»Aber sie werden uns töten und das Kolleg einnehmen«, protestierte Seldane. »Nichts hat sich verändert, außer dass noch mehr unserer Leute gestorben und die Wesmen ihre Stellung noch besser befestigt haben.«
Kerela schwieg, und Barras folgte ihrem Blick zum Hof, wo zwei leblose Männer vom Pflaster gehoben wurden. Blutspuren blieben zurück, wo sie gelegen hatten.
»Wir haben so lange gewartet, wie wir konnten«, sagte sie schließlich. »Ich glaube nicht, dass Dordover uns jetzt noch helfen wird.« Sie wandte sich an die anderen. Tränen rannen über ihr Gesicht. »Wir werden unser Kolleg verlieren.«
Sha-Kaan hatte ein Gefühl, von dem er nie vermutet hätte, dass er es jemals haben würde. Als er aus Keol zurückkehrte, seine Kaan in Siegesformation hinter ihm – eine große, gekrümmte Linie am Himmel, die einen Viertelkreis bildete –, dachte er über die Folgen nach, die das Bündnis zwischen den Naik und den Veret haben konnte. Seine Schlussfolgerungen führten zu Gedanken, die ihm überhaupt nicht behagten. Sein Herz pochte laut in seiner großen Brust. Er war besorgt.
Zuerst einmal bedeutete dieses Bündnis, dass die beiden Bruten tatsächlich miteinander redeten. Ihr erstes Ziel, die Vernichtung der Kaan, teilten sie offenbar. Davon abgesehen konnte die Zusammenarbeit keine Zukunft haben. Besonders aus der Sicht der im Wasser lebenden Veret war die Auslöschung der Kaan in Beshara mehr oder weniger bedeutungslos.
Die Kaan und die Veret hatten einander über lange Zeit hinweg stillschweigend geduldet, weil ihre jeweiligen Anforderungen an ihr Brutland sich stark voneinander unterschieden. Warum also sollten die Veret sich mit den Naik verbünden, um die Kaan zu vernichten? Vielleicht hielten sie es für möglich, im Fluss Tere und in dessen Umgebung
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