Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
keine Rolle mehr. Die Seele gehörte in ihren Körper, bis sie sich aus freien Stücken entschloss, die Beschränktheit des menschlichen Daseins zu verlassen.
Wills Seele war nicht fort, aber die Dämonen hatten sie gewiss berührt. Die Eiseskälte der Dämonenkrallen hatte den Kern seines Wesens berührt und Will in eine tiefe Bewusstlosigkeit versetzt. Es war ein Wunder, dass sein Gehirn überhaupt noch den Lungen befehlen konnte zu atmen. Der Unbekannte war ziemlich sicher, dass der kleine Mann sterben musste, und als die Anführerin der magischen Heiler ihre Versuche einstellte, mit Wills zurückgezogenem Bewusstsein Kontakt aufzunehmen, sah er ihrer betroffenen Miene an, was sie gleich darauf mit Worten bestätigen sollte.
»Nun?«, fragte der Unbekannte trotzdem. Die Magierin drehte sich zu ihm um und machte zwei Frauen aus der Stadt Platz, die sich um Will kümmern sollten. Sie war eine große und anmutige Frau mit langen Fingern und grauem
Haar, das sie zu einem Dutt gebunden hatte. Ihr Gesicht war alt und faltig.
»Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so weit weg war. Er atmet zwar, aber es fällt mir schwer zu glauben, dass seine Seele überhaupt noch in seinem Körper ist. Ich kann sein Bewusstsein nicht einmal finden, ganz zu schweigen davon, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Sein Gehirn hält ihn am Leben, aber ich kann nicht sagen, wie lange es noch dauern wird. Ich fürchte allerdings, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt.« Sie sah Thraun an, wie sie schon viele Male Freunde und Angehörige angesehen hatte.
»Macht Euch keine Sorgen um ihn. Ich glaube, er versteht, dass Ihr ihm helfen wollt, und er weiß, dass Will schwer krank ist. Wie lange gebt Ihr ihm noch?« Der Unbekannte sah, dass Hirad und der julatsanische General die Krankenstation betraten und geradewegs zu ihm kamen.
»Bis er aufwacht oder stirbt?«
»Wir wissen beide, dass es eher das Zweite als das Erste sein wird«, erwiderte der Unbekannte. Die Magierin lächelte traurig und nickte.
»Ich will es folgendermaßen ausdrücken. Wenn er sich nicht binnen eines Tages zu erholen beginnt, dann werde ich ihn in ein Spital bringen lassen, wo er sterben kann. Wir brauchen das Bett, und ich glaube, nach einem Tag wird er ohnehin nicht mehr wissen, wie er den Rückweg finden kann.«
Der Unbekannte hockte sich neben den Wolf, der ihn traurig ansah. »Ich weiß, dass du mich nicht verstehst, Thraun, aber es wird einen Kampf geben. Wenn du Will helfen willst, dann musst du mit uns kämpfen. Wir brauchen dich, und Will braucht Zeit.«
Thraun blinzelte nicht, aber er sah dem Unbekannten tief in die Augen, dann drehte er sich um. Er leckte Will
noch einmal über das Gesicht und legte sich am Kopfende hin. Der Unbekannte richtete sich auf. Die Schnitte auf den Armen schlossen sich rasch, nachdem Erienne und Ilkar ihn mit einem Heilspruch versorgt hatten.
»Nun ja, es war einen Versuch wert«, sagte er und ging Hirad entgegen, der die gleiche Behandlung bekommen hatte. »Wollen wir über die Belagerung reden, meine Herren?« Kard und Hirad nickten. »Bei einer Tasse Kaffee, würde ich sagen.« Er deutete zum Warteraum am westlichen Ende der Krankenstation. Als sie sich dort niedergelassen hatten, gab der Unbekannte Kard die Hand, und sie begrüßten sich in aller Form.
»Verzeiht mir, dass ich mich nicht früher vorgestellt habe«, sagte er. »Ich bin der Unbekannte Krieger.«
Kard lächelte. »Ich weiß. Ich bin Kard, General der julatsanischen Streitkräfte.«
»Wir sollten uns kurz fassen«, drängte der Unbekannte.
»Nun gut«, sagte Kard. »Die Kommunion ist im Gange. Wir alarmieren alle, die nicht weiter als einen Tagesmarsch entfernt sind, dass wir Hilfe brauchen. Einer Eurer Magier, Ilkar, hat mir eine Magierin genannt, mit der wir Kontakt aufnehmen können.«
»Pheone«, sagte der Unbekannte.
»Ja. Danach werden wir warten, bis vom Wachturm aus Alarm gegeben wird, ehe wir mit unserem Ausfall beginnen.«
»Warum wartet Ihr?«, fragte Hirad.
»Weil jeder Augenblick, den wir uns erkaufen können, die Hilfe näher bringt. Und ohne Hilfe werden wir den Kampf sicher verlieren.«
»Es ist trotzdem falsch zu warten«, sagte der Unbekannte. »Eure Leute sind angespannt und nervös, und Ihr verzichtet auf das Überraschungsmoment, das für Euch so wichtig ist. Greift an, sobald Ihr bereit seid. Schaltet den
Turm aus, bevor sie eine Gelegenheit haben, Alarm zu schlagen. Schickt Eure Männer nach draußen in die Straßen, sobald der erste
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