Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
schon der erste Angriff zu viel gewesen. Doch Senedai hatte den größten Teil seines Heeres noch gar nicht eingesetzt.
Die Folge war, dass die Julatsaner zwar hin und wieder eine kurze Atempause bekamen, doch sie mussten Vorstoß auf Vorstoß abwehren, und jeder Angriff schwächte sie ein wenig. Gleichzeitig mussten sie ohnmächtig zusehen, wie ihre Stadt zerstört wurde. An einem Dutzend Stellen brannten Feuer. Das Rumpeln von einstürzenden Gebäuden und brechenden Balken erfüllte die Luft, wenn die Wesmen einmal schwiegen, und bedrückte alle Männer, Frauen und Kinder, die es sahen.
Es gab keinen Weg hinaus, doch Barras hatte noch eine schwache Hoffnung. Der Rabe war im Kolleg, wenngleich nur für eine kurze Zeit, und da draußen …
»Wann werden die Dordovaner eintreffen?«, fragte er Seldane, die vor einiger Zeit aus einer Kommunion zurückgekehrt war.
»Sie kommen nur langsam voran«, berichtete sie. »Die Wesmen haben Späher und Überfallkommandos ausgeschickt, weil sie glauben, der Kampf sei bald vorbei. Die Dordovaner stecken drei Marschstunden entfernt in einem Wald. Falls sie bis heute Abend noch etwas vorankommen, dann wollen sie morgen in der Dämmerung angreifen. Wenn sie das nicht schaffen, dann können wir nur raten.«
»Ich muss unbedingt früh aufstehen«, sagte Kerela.
»Wie schätzt Ihr unsere magische Stärke ein?«, fragte General Kard. Wenn er nicht gerade unterwegs war, um
seine Truppen zu inspizieren, leistete er dem Rat auf den Mauern Gesellschaft. Kerela forderte Vilif mit einem Nicken auf, dem General die Situation zu erklären.
Der alte, gebeugte und kahlköpfige Sekretär des Rates zog die Augenbrauen hoch. »Nicht gut«, sagte er. »Überhaupt nicht gut. Heißer Regen und Feuerkugeln sind zwar sehr wirkungsvoll, aber sie sind auf diese Entfernung sehr anstrengend. Vor allem, wenn man diese Sprüche häufig wirken muss. Wenn wir annehmen, dass die Angriffe die Nacht über mit gleicher Stärke fortgesetzt werden, dann sind wir morgen Nachmittag mehr oder weniger am Ende. Und dann, mein guter Freund, liegt alles in Euren fähigen Händen.«
Der Abend war gekommen, und wie befürchtet hatten die Angriffe der Wesmen nicht nachgelassen. Immer noch schlugen die Katapultschüsse gegen die Abschirmungen vor den Mauern oder flogen gelegentlich auch darüber hinweg und verursachten hier und dort Schäden an Gebäuden oder verletzten gar die Wenigen, die so dumm waren, sich ungeschützt im Freien zu bewegen.
Denser saß müde und gähnend im kahlen Turmzimmer neben Erienne. Sie hatte gerade die Kommunion mit Pheone beendet, die inzwischen zur Streitmacht der Dordovaner gestoßen war. Hirad und der Unbekannte fühlten sich dagegen frisch und zu allem bereit und vertilgten große Platten mit Fleisch und Gemüse. Sie wollten noch ein oder zwei Stunden trainieren, ehe sie sich wie die anderen Rabenkrieger bis zur Morgendämmerung hinlegten. Thraun war noch nicht aufgewacht.
»Wir könnten noch tagelang weitersuchen«, meinte Ilkar, »aber ich glaube nicht, dass wir hier noch viel finden. Wir sind auf einige wichtige Details gestoßen, doch der
größte Teil der Werke ist in Xetesk, um diese Einsicht kommen wir nicht herum.« Er war wütend, weil Styliann es ihnen hätte so viel leichter machen können, doch andererseits war er nicht sonderlich überrascht.
»Um ehrlich zu sein, dies ist vielleicht gar nicht so schlecht«, gab der Unbekannte zurück. Er trank einen großen Schluck helles Bier und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Wir wissen, dass die Ablenkung durch die Dordovaner für uns die beste Gelegenheit ist, hier herauszukommen. Nicht nur das – wenn die Belagerung nicht durchbrochen werden kann, dann wird dieses Kolleg schließlich fallen, und so Leid es mir tut, Ilkar, was wir vorhaben, darf nicht dadurch gestört werden, dass wir bei der Rettung des Kollegs helfen.«
»Ich weiß«, sagte Ilkar. »Das wissen wir alle. Wir sind bereit.« Es gab ein kurzes Schweigen.
»Wir müssen Kard und den Rat informieren«, fuhr der Unbekannte schließlich fort. »Wir brauchen Pferde, Vorräte und jemanden, der uns im richtigen Moment das Nordtor öffnet. Wenn möglich, brauchen wir auch etwas Rückendeckung, um die feindlichen Linien zu durchbrechen.«
»Das werden wir alles bekommen«, sagte Ilkar. »Kerela ist nicht dumm, sie erkennt die größeren Zusammenhänge. Ich werde mit ihr reden.«
»Denser, was ist mit Styliann?«, fragte der Unbekannte. Denser, der
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