Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
Euch jetzt noch weigern solltet.«
»Das ist genau das, was mir solche Sorgen bereitet.«
Styliann kicherte. »Es freut mich zu sehen, dass Euer Verstand noch funktioniert. Aber trotzdem biete ich Euch alles, was Ihr haben wollt, und fordere nichts, was Ihr nicht geben könnt.«
»Aber warum?« Dystran beugte sich vor. »Ich kann nicht verstehen, warum Ihr so einfach einlenkt und alles aufgebt, was Ihr besessen habt.«
»Nein, das könnt Ihr wohl nicht«, sagte Styliann. Er bedauerte Dystran beinahe, weil er so wenig verstand. Er bedauerte ihn, aber zugleich war er darüber erfreut. »Manchmal sind uns Wege vorgezeichnet, von denen wir nicht abzuweichen wagen.«
»Wäre der Mittagsschatten über Parve einer davon?«
Styliann nickte. »In gewisser Weise, ja.«
Dystran starrte ins Feuer, doch Styliann sah, wie seine Augen zuckten, während die Gedanken durch seinen Kopf rasten. Wahrscheinlich befand er sich sogar in Kommunion mit seinen Helfern, die so klug waren, sich Styliann gegenüber nicht zu erkennen zu geben. Dystrans Schweigen dauerte nicht lange.
»Die Papiere sollen aufgesetzt werden. Ihr werdet sie unterzeichnen und die Stadt sofort verlassen. Ihr dürft nur mit meiner Erlaubnis zurückkehren, und Ihr werdet Septerns Texte, die Euch zur Verfügung gestellt werden, um Balaia zu retten, anschließend wieder abliefern. Ist das akzeptabel?«
»Ja, mein Lord.« Styliann erhob sich. »Und jetzt werde ich Euch allein lassen, damit ihr Eure Arbeit tun könnt. Der Herr vom Berge findet nur wenig Muße. Ich werde im Großen Speisesaal auf die Papiere warten.«
»Man wird Euch dort etwas zu essen servieren.«
»Danke.« Styliann streckte eine Hand aus, die Dystran widerstrebend nahm. »Bis nachher dann.« Styliann nahm Septerns Schriften an sich und verließ den Turm.
Später, als er zu den wartenden Protektoren zurückkehrte, während Cil hinter ihm eine Kette von sechs beladenen Packpferden führte, blickte Styliann noch einmal auf die Papiere und Pergamente, die er in der Hand hatte. Er wunderte sich über die Dummheit des neuen Herrn vom Berge. Er hatte bei keinem Dokument, das Styliann verlangte, Fragen gestellt und sie nicht einmal angesehen. Und doch waren sie der Schlüssel zu einer Macht und zu einem Einfluss, angesichts derer Dystran eine mehr als unbedeutende Person bleiben musste.
Eines Tages würde er es erkennen. Styliann freute sich jetzt schon auf diesen Tag.
Es herrschte keine finstere Nacht mehr, oder jedenfalls nicht mehr in dem Sinne, wie Hirad es gern gehabt hätte. Er stand im Windschatten der Nordmauer. Sechs gesattelte, mit Futtersäcken versehene und magisch beruhigte Pferde waren in der Nähe angeleint. Draußen tobte der jüngste Angriff auf das Kolleg. Das Nachglühen der Sprüche erhellte die fliehende Dunkelheit kurz vor der Morgendämmerung und überflutete den Himmel, der schon von hundert brennenden Häusern in Julatsa rot gefärbt war.
Flammen und feuriger Hagel gingen auf die anrückenden Wesmen nieder, deren Schreie die Befehle der Magier, die Feuer und Eis dirigierten, teilweise übertönten. Auch das dumpfe Sirren von Bogensehnen war zu hören. Nur das Klirren der Schwerter fehlte. Kein Wesmen-Krieger hatte bisher die Mauern erklommen, doch sie rückten unerbittlich näher.
Hirad beschränkte sich darauf, im Schatten zu stehen und zu lauschen. Er konnte sowieso nichts tun, und er musste wie die anderen Rabenkrieger bereit sein, sich im richtigen Augenblick in Bewegung zu setzen. Der schwierigste Zeitpunkt war derjenige, wenn der Angriff der Dordovaner begann. Es war gefährlich, und der Rabe war nicht bereit, ein unkalkulierbares Risiko einzugehen.
Er lehnte sich an die Mauer und rieb abwesend die Schulter eines Pferds. Drüben am Turm wurde die Tür geöffnet, und eine riesige Gestalt kam heraus, gefolgt von einer viel kleineren. Der Unbekannte und Ilkar. Er lächelte, als sie zu ihm geschlendert kamen. Sie sahen aus wie zwei Freunde, die einen gemächlichen Spaziergang unternahmen und im Laufen schwatzten. Doch Hirad ahnte, was sie zu besprechen hatten, und es waren gewiss keine Bemerkungen über die Wärme des gerade beginnenden Tages.
Kurz danach wurde auch die Tür der Krankenstation geöffnet, und der Lichtschein fiel auf den Hof hinaus. Drei Gestalten traten ins Freue. In der Mitte ging ein großer Mann, gebeugt und schwerfällig, und links und rechts neben ihm waren die kleineren Begleiter immer einen halben Schritt voraus.
»Bist du schon lange
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