Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
einfach nur müde. Emotional … wer weiß?«
»Halte mich auf dem Laufenden, ja?« Er wandte sich zum Gehen. »Wir sehen uns dann später.«
Denser sah ihm nach, bis die Tür geschlossen war. »Ich muss mich ausruhen, Liebste. Die Kommunion werde ich nach der Dunkelheit halten.« Er beugte sich vor und küsste sie. »Vergiss nicht, dir auch selbst etwas Ruhe zu gönnen. Wir brauchen dich.«
Erienne zauste sein Haar. »Mach dir meinetwegen keine Sorgen, ich bin wieder in Form, sobald ich eine Nacht durchgeschlafen habe. Sei vorsichtig. Die Kommunion mit Styliann ist gefährlich.«
Barras stand mit dem Rat auf der Nordmauer des Kollegs. Fast den ganzen Tag hatten sie dort verbracht. Sie waren hinter einem statischen harten Schild in Sicherheit, und die Wehrgänge wurden durch Sprüche vor den Katapultschüssen
und den Rammböcken der Wesmen geschützt. Bisher hatten sie die Mauern nicht erreicht, doch Barras beobachtete die Schlacht mit zunehmender Hoffnungslosigkeit.
Der Tag hatte mit einer Gräueltat begonnen. Die Wesmen hatten mit schweren Armbrüsten und Katapulten Öl auf die julatsanischen Toten geschossen und die Leichen mit Brandpfeilen angezündet.
Die Kleidung der ausgetrockneten Leichen hatte sofort Feuer gefangen, und sie waren schnell verbrannt. So wurden die Angehörigen um die Chance gebracht, ihre Toten zu ehren und würdevoll zu bestatten. Als der erstickende, beißende graue und schwarze Rauch vor den Mauern aufstieg und Asche und Ruß in den frühmorgendlichen Himmel hochwirbelte, hatten die Wesmen im Schutz des grässlichen Nebels, den sie selbst geschaffen hatten, mit dem ersten Angriff begonnen.
Es war ein vorhersehbares Manöver gewesen, das den Verteidigern dennoch größere Schwierigkeiten machte als jedes andere an diesem Tag. Weit genug vom erstickenden, blendenden Rauch entfernt, damit sie atmen konnten, stellten sich die Magier auf und deckten den Bereich vor den Mauern mit Feuerkugeln, Heißem Regen und Todeshagel ein. Dabei mussten sie auch die Mauern schützen, um sie nicht durch ihre eigenen schlecht gezielten Sprüche zu gefährden, und so wurde dieses Sperrfeuer eine aufwendige Übung, die viel Kraft kostete. Erst als die mit Tüchern maskierten Soldaten signalisierten, dass die Wesmen sich zurückzogen, bekamen die Magier eine Atempause.
Als der Rauch sich verzog, war somit der Rhythmus für den Tag festgelegt. Es gab sporadische, aber unablässige Angriffe an zwei Dutzend Stellen rings um die Mauern. Die Angriffe waren nie eine große Gefahr für das Kolleg,
doch sie waren stark genug, um die Verteidiger zu zwingen, ständig ihre Magie einzusetzen. Senedai wusste genau, was er tat, und er hielt seine eigenen Verluste möglichst gering.
Hätte Barras gehört, wie Ilkar die Lage einschätzte, dann hätte er in jedem Punkt nachdrücklich zugestimmt. Die Wesmen hatten Zeit, oder sie glaubten es jedenfalls, und die Julatsaner würden früher oder später ermüden, genau wie es an der Stadtgrenze schon geschehen war. Einen Durchbruch an einer einzigen Stelle, mehr brauchten die Wesmen im Grunde nicht.
Barras rieb sich die Augen. Er rechnete damit, dass die Angriffe in der Nacht weitergehen würden, obwohl dies für die Wesmen ungewöhnlich war. Doch die Angreifer wollten offenbar die Magier und Soldaten zwingen, auf den Mauern auszuharren, während diejenigen, die abgelöst wurden, nicht einmal richtig zur Ruhe kamen. Und wer dort oben stand, der sah sich einer erdrückenden Übermacht gegenüber.
In der relativen Ruhe des Innenhofs und sogar auf den Treppen, die zu den Wehrgängen führten, konnte man leicht die Realität der Belagerung vergessen. Doch ein Blick nach draußen veränderte alles. Außerhalb der Reichweite der Sprüche standen die Wesmen zwischen den Trümmern der Gebäude. Sie hatten viele Häuser abgerissen, um ein Aufmarschgebiet für ihre Armee zu bekommen, und jetzt waren tausende ihrer Kämpfer angetreten. Sie warteten. Manchmal waren sie still, manchmal brüllten sie ihre Lieder von Sieg und Hass, manchmal sangen sie, manchmal verspotteten sie die Verteidiger. Böse hallten ihre Stimmen zwischen den Mauern des Kollegs.
Sie waren wie ein bewegtes Meer, und sie warteten auf den Sturm, der sie mit einer Flutwelle ins Kolleg treiben
sollte. Sie waren Heuschrecken, die darauf lauerten, die reifen Felder abzufressen.
Und doch fürchteten sie die Magie. Sie waren vorsichtig wie zuvor. Das war Barras’ einziger Trost. Wäre es anders gewesen, dann wäre
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