Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
wie Pferdehufe die Schädel von Männern zermalmten, die um Hilfe schreiend am Boden lagen. Er hatte junge Männer gesehen, die ihre Hände auf den Bauch pressten, um die hervorquellenden Eingeweide festzuhalten, und die mit flehendem Blick irgendeine Hoffnung in den Augen ihrer Freunde suchten. Er hatte Glieder gesehen, die von gesunden Körpern abgetrennt wurden, abgehackte Kiefer, von Pfeilen durchbohrte Augen und Äxte, die in den Köpfen von Männern steckten, die noch herumliefen und zu schockiert waren, um zu bemerken, dass sie eigentlich tot sein müssten.
Er hatte die schrecklichen Verwüstungen durch Feuer und Kälte gesehen, die von Magiern mit einem bloßen Flüstern entfesselt werden konnten, und vor gar nicht so langer Zeit hatte er auch die entsetzlichen Zerstörungen beobachtet, die bei der Überflutung des Understone-Passes angerichtet worden waren. Zerfetzte und zermalmte Körper waren überall in die Felsspalten gespült worden.
Doch für diese schrecklichen Dinge hatte es immer irgendeine Art von Rechtfertigung gegeben. Der Krieg war ein Unternehmen, das beide Seiten in dem sicheren Wissen begannen, dass Menschen leiden würden.
Aber dies hier in Understone, das war etwas ganz anderes.
Die Stadt Blackthorne war zerstört worden, doch ihre Bewohner waren längst aufs Land geflohen oder hatten sich der Armee des Barons angeschlossen. Die Einwohner von Understone dagegen hatten keine solche Wahlmöglichkeit gehabt. Sie waren einem völlig willkürlichen Gemetzel zum Opfer gefallen.
Darrick schüttelte den Kopf. Es passte nicht. Er wusste, wie Tessaya vorging, und dies hier entsprach ihm nicht. Nach den verbrannten Ruinen zu urteilen, hatten die Wesmen Understone stark befestigt. Rings um die Stadt hatten sie einen Palisadenzaun errichtet, der zusätzlich von gepanzerten Wachtürmen geschützt wurde. Gräben und Senken waren vor dem Holzwall ausgehoben worden, an taktischen Positionen waren zur Verteidigung außerhalb der Umfriedung weitere Befestigungen errichtet worden. Tessaya hatte sich auf eine langfristige Besetzung eingestellt.
Doch irgendetwas hatte sein Denken anscheinend radikal und auf entsetzliche Weise verändert. Alle Gebäude waren bis auf die Fundamente niedergebrannt. Steinmauern
waren eingerissen worden, und sogar all das, was die Wesmen selbst gebaut hatten, war zersplittert und verbrannt. Und überall, buchstäblich überall lagen Leichen herum. Es war ein rituelles Massaker gewesen. Jeder Mann war zu einer bestimmten Stelle in der Stadt gebracht worden, nachdem sie niedergebrannt worden war. Dort hatte man ihn ermordet, ihm die Kehle durchgeschnitten, die Augen ausgestochen, den Bauch aufgeschlitzt und die Leiche mit ausgebreiteten Gliedmaßen zur aufgehenden Sonne hin ausgerichtet.
Es mussten mehr als dreihundert sein. Garnisonssoldaten aus Understone und die Verstärkung aus der Armee der vier Kollegien. Ein paar erkannte Darrick sogar wieder, andere waren geachtete Kollegen, denen er bisher noch nicht persönlich begegnet war. Sie waren seit etwa einem Tag tot. Wolken von Fliegen erfüllten die Luft mit widerwärtigem Summen, und die Aasgeier und die anderen Tiere warteten nur darauf, dass die Reiter sie wieder an das unerwartete Festmahl ließen. Der Verwesungsgestank breitete sich aus.
»Bei allen Göttern, die auf uns herabschauen, was ist hier nur passiert?« Gresses Stimme war nicht mehr als ein heiseres Flüstern. Er stieg von seinem Pferd und nahm sich Zeit für einen Moment der Andacht. Die anderen Reiter folgten seinem Beispiel.
»Das ist eine Warnung«, meinte ein Kavallerist, der damit Darricks eigene Gedanken aussprach. »Wir sollen sie fürchten.«
»Nein«, widersprach Blackthorne. »Sie sind es, die sich fürchten müssen.«
»Habt Ihr so etwas schon einmal gesehen?«, fragte Gresse ungläubig.
Blackthorne schüttelte den Kopf. »Es gibt – oder gab –
in der Bibliothek von Blackthorne einen Bericht über ein ähnliches Ereignis. Vergesst nicht, dass wir im Kampf gegen die Wesmen schon einmal an vorderster Front gestanden haben.«
»Was hat Tessaya nur veranlasst, so etwas zu tun?«, fragte Darrick.
»Ich glaube, er hat die Stadt niedergebrannt, damit niemand benutzen kann, was er gebaut hat. Der Pass ist jetzt wahrscheinlich stark verteidigt. Die Opfer, denn so muss man sie nennen, sind natürlich eine ganz andere Angelegenheit.
Wenn die Wesmen in die Schlacht ziehen, dann rufen ihre Schamanen die Geister an, die sich hinter sie stellen und
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