Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers
zwanzig Fuß, aber das Auf und Ab zehrte an den Kräften. Auch hier wuchs das Gras so dicht und hoch wie auf der Ebene, doch jetzt knickte sogar Jatha, der ein hohes Tempo vorlegte, in seiner Eile die Halme um.
Hirad beobachtete ihn eine Weile und bemerkte, dass er immer wieder zum Riss hinaufschaute, während seine Männer sich stirnrunzelnd links und rechts umsahen.
Hirad schob sich neben den Unbekannten. »Bekommst du nicht auch allmählich das Gefühl, dass etwas nicht stimmt?«
»Allerdings«, meinte der Unbekannte. »Wir sollten damit rechnen, dass wir angegriffen werden.« Er klopfte auf das Schwert, das auf dem Rücken in der Scheide steckte.
»Ich werde mal mit Jatha reden.« Hirad ging nach vorn und tippte Jatha auf die Schulter. Der Diener des Kaan drehte sich um und zwang sich zu einem Lächeln, obwohl ihm die Sorge deutlich ins Gesicht geschrieben stand.
»Was ist los?«, fragte Hirad. Jatha sah ihn verständnislos an. »Gefahr?« Hirad deutete zum Himmel und dann rings um sich, und dann flatterte er mit den Armen, um genau wie Jatha einen Drachen nachzuahmen.
Jatha nickte lebhaft. »Kampf am Himmel kommt«, sagte er. »Vorsicht.« Er deutete auf seine Augen und dann auf die unmittelbare Umgebung. »Noch mehr Kampf.« Er zuckte mit den Achseln. Hirad nickte.
»Also gut, Rabenkrieger«, sagte er, als er sich wieder zurückfallen ließ. »Es kann sein, dass wir Gesellschaft von oben und am Boden bekommen. Wir wollen darauf vorbereitet sein. Thraun, Unbekannter, ihr sichert die linke und rechte Flanke, Ilkar übernimmt die Abschirmung, Denser und Erienne, ihr schaltet euch bitte in den Angriff ein.« Vor ihnen verließen zwei von Jathas Männern die Gruppe. Sie verschwanden mit gezückten Schwertern links
und rechts im Gras. Jatha selbst ging weiter und beschleunigte sogar noch etwas, bis er fast im Trab lief. Hirad sah sich kurz zu Styliann um. »Ich nehme an, ich kann es Euch überlassen, mit Euren Leuten die rückwärtige Verteidigung zu organisieren?«
Styliann nickte. »Hier hinten kommt niemand durch«, sagte er knapp.
Oben am Himmel war die Verteidigung des Risses verstärkt worden. Hirad schätzte, dass jetzt etwa siebzig Kaan auf engen Bahnen Patrouille flogen. Ihre Rufe hallten weit über die Ebene. Es war ein gespenstisches Geräusch, das ihm zusetzte. Das mürrische Bellen und das dumpfe Knurren klangen fremd in seinen Ohren, und als er ein Kitzeln im Nacken spürte, drehte er sich instinktiv um und sah die Schatten.
Zuerst war es nur eine Gruppe schwarzer Punkte hoch am Himmel. Sie kamen aus der Richtung des Tals, durch das sie am Vortag gewandert waren. Doch als sie sich näherten, sah er die Umrisse. Lang gestreckt und schlank und schnell. Es waren mehr als zwanzig, die in der Formation eines Fünfsterns flogen und direkt den Riss ansteuerten. Die Rufe der Kaan wurden drängender, und wenigstens die Hälfte brach die Patrouillenflüge ab und formierte sich zu Angriffsgruppen von jeweils fünf oder sechs Drachen, die dem Feind entgegenflogen.
Sie waren alle stehen geblieben, und Jatha musste sie ermahnen weiterzugehen.
»Geht«, drängte er. »Vorsichtig.« Er wollte sich umdrehen, doch dann erregte eine Veränderung der Bewegungen am Himmel seine Aufmerksamkeit. Hirad folgte seinem Blick. Einer der angreifenden Drachen hatte die Formation verlassen und kam schräg über die Ebene direkt zu ihnen herunter.
»Der Rabe, steckt die Schwerter weg und vergesst die Sprüche. Wir müssen rennen. Protektoren, ihr auch. Glaubt es mir oder sterbt.« Er deutete zu dem Drachen hoch, der eilig zu ihnen geflogen kam und im Handumdrehen über ihnen sein musste.
»Hirad!« Jatha zerrte an seinem Arm. Er war verzweifelt, und seine Männer hinter ihm waren sichtlich aufgeregt. Hirad sah ihn an. Der kleine Mann spreizte die Finger und bewegte die Arme auseinander. »Geht«, sagte er und wiederholte die Geste. Er rief seinen Männern einen Befehl zu, die sich sofort ins Gras absetzten, und nicht zwei von ihnen liefen in die gleiche Richtung.
Hirad verstand. »Der Rabe!«, rief er. »Auf gleicher Höhe, immer drei Schritt Abstand. Der Rabe zu mir!« Ohne zu warten, ob auch Styliann ihnen folgte, stürmte Hirad durchs Gras. Der Unbekannte und Ilkar waren neben ihm. Wenn er nach links und rechts blickte, konnte er sie gerade eben erkennen, doch von den anderen konnte er im hohen, dichten Gras, das jeden Schritt behinderte, nichts sehen.
Sie rannten blindlings los, im Grunde war es ein Glücksspiel.
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