Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
sei für den ganzen Ärger verantwortlich, doch er scherte sich nicht darum. Wenn dem so war, dann würden die Kollegien es schon wieder richten. Dort wusste man, was zu tun war.
Seine Schritte hallten in der stillen Nacht von den Wänden der Lagerhäuser wider. Er betrachtete die dunklen Skelette der Kräne, hörte vom Hafen her das leise Knarren der Spanten und lächelte in sich hinein.
Er war damals so stolz gewesen. Er hatte eine Magierin geheiratet, die nichts lieber wollte, als sich in Arlen niederzulassen, Kinder zu bekommen und ihre wundervollen reinigenden und heilenden Sprüche für die Leute zu wirken, die sie brauchten. Auch ihre Tochter war mit der Gabe gesegnet gewesen, und als sie zehn war, hatte er Freudentränen geweint, als die beiden in einen gedeckten Wagen stiegen, um nach Julatsa zu fahren.
Sie waren nie dort angekommen. Räuber, hatte der Kutscher gesagt, doch Donetsk hatte später die Wahrheit erfahren. Schwarze Schwingen. Hexenjäger, die nicht wollten, dass auch nur ein Magier überlebte.
Sein Lächeln verschwand, die Trauer war wieder da wie in jeder Nacht. So würde es immer bleiben, egal, wie viel er arbeitete oder trank, um es zu vergessen. Jeden
Tag gab es einen solchen Moment, an dem die Erinnerung ihn einholte.
Donetsk legte eine Hand vors Gesicht und betete, dass die Götter ihren Seelen gnädig sein mochten. Für ihn gab es jetzt nichts mehr zu tun. Nicht einmal Rache. Früher hatte er sich danach gesehnt, aber jetzt schien es unwichtig, weil die Rache am Ende sein Leid doch nur verschlimmern und all die Schmerzen wieder wecken würde. Die Götter wussten, dass er dies am allerwenigsten brauchen konnte.
Er blieb stehen und lehnte sich an einen alten Poller, der noch stark war, aber schon zu splittern begann. Sein Herz raste, und er konnte einen Moment lang kaum atmen. Er hielt den Blick auf den Boden gerichtet, bis das Schwindelgefühl aufhörte, atmete tief durch und verfluchte seinen benebelten, berauschten Kopf, durch den die Erinnerungen schossen wie Blitzschläge. Langsam blinzelnd unterdrückte er die Tränen, schluckte den Kummer hinunter und sah nach vorn. Die Meerulme lag nicht weit entfernt, und hinter dem Schiff und dem Fischmarkt warteten sein Heim und sein Bett. Leer, aber dennoch eine erfreuliche Aussicht.
Er ging weiter, riss die Augen weit auf, blies die Wangen auf und ließ sich den Wind ins Gesicht wehen. Er gähnte und freute sich schon darauf, sich hinzulegen, bis ihn die Lieder der Vögel am Morgen riefen, seinen schmerzenden Kopf zu heben. Er ging schneller und lief an der Meerulme vorbei, lächelte und winkte dem Posten, der auf Deck seine Runden machte. Der Elf winkte zurück. Donetsk konnte nicht erkennen, ob der Wächter ebenfalls gelächelt hatte, doch der Gruß reichte ihm aus. Er mochte die Elfen, die meisten jedenfalls. Sie hatten etwas Magisches an sich, das konnte er fühlen.
Er gähnte wieder und schmeckte den starken Fischgeruch. Kräftig, aber irgendwie auch beruhigend. Er war jetzt fast zu Hause. Donetsk verließ den Hafen und bog auf den Markt ein, und dort sah er sie. Sie kamen zu Fuß und tauchten vor ihm aus der Dunkelheit auf, sie bewegten sich vorsichtig und leise und hatten Schwerter und Dolche in den Händen. Das Metall schimmerte stumpf im schwachen Mondlicht. Er sah genau hin und ging fassungslos weiter. Es waren zehn, ein Dutzend, zwanzig. Seine erste Idee war, dass sie zur Stadtwache gehörten, aber gleich darauf wurde ihm klar, dass dies nicht zutraf.
Donetsk ging weiter, obwohl er im Grunde genau wusste, wie dumm das war. Bisher hatten sie ihn nicht bemerkt, weil sie eine wichtigere Beute im Auge hatten. Die Meerulme.
Die Schwarzen Schwingen. Die Schwarzen Schwingen liefen im Hafen herum, obwohl sie aus der Stadt gewiesen worden waren. Er wurde wütend. Es war eine brennende Wut, die aus der Sehnsucht nach seinen ermordeten Angehörigen wuchs, aber auch daraus, dass dies eine unverzeihliche Beleidigung für Arlen, den Grafen und die ganze Stadt war.
»He!« Ohne Rücksicht auf die Gefahr rannte er los. Er war Donetsk, und die Leute in Arlen würden schon auf ihn aufpassen.
Die Männer schauten auf und blieben stehen. Einer, der vorausgeschlichen war, breitete die Arme aus, und sie bauten sich um ihn auf und standen völlig still. Der Anführer trug einen Mantel mit Kapuze, seine Geste hatte die anderen sofort in Position gebracht. Er rührte sich nicht, als Donetsk ihn anfuhr.
»Raus hier!«, rief der Betrunkene. Er
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