Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
sind. Wir reiten, um ein Kind vor seinen Mördern zu retten. Die Unschuldigen müssen überleben. Lystern, wir reiten!«
Mit einem Aufschrei setzte sich die Kavallerie in Bewegung und begann den schnellen Ritt nach Arlen.
Hirad hatte sich nach Norden gewandt und die Wölfe von den südlichen Wegen nach Arlen fern gehalten. Er
verfolgte keinen bestimmten Plan, wollte aber jedenfalls so nahe wie möglich am Hafen herauskommen. Was er allerdings ein paar Meilen außerhalb von Arlen beobachten konnte, hatte ihn erschüttert.
Aus einem Lager, in dem die Feuer noch hell brannten, zogen hunderte Fußsoldaten und Reiter zum kleinen Hafen. Wahrscheinlich waren es Dordovaner. Westlich von ihnen, unermüdlich rennend und sich rasch nähernd, wanderte ein dunkler Fleck durch die von fahlem Mondlicht erhellte Landschaft.
Schweigend und beängstigend wie eine schwarze Decke strömten sie übers Land. Sie brauchten keine Laternen und keine Pferde, sie brauchten keine Rast. Wenn sie in Arlen eintrafen, würde die Hölle losbrechen. Die Protektoren. Wenn sie einen Auftrag bekommen hatten, dann führten sie ihn rücksichtslos aus und machten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte.
Hirad kannte nur einen einzigen Mann, der sie aufhalten konnte, doch er wusste nicht, wo er war. Er wurde irgendwo gefangen gehalten. Vielleicht war er bei den Dordovanern, doch bis er die eingeholt hätte, wäre es zu spät. Er beschloss, ein Risiko einzugehen und einen Bogen zu schlagen, bis er einige Meilen nördlich von Arlen weitere Lagerfeuer fand.
Thraun und das Rudel folgten ihm, als er ins Lager ritt. Es war beinahe verlassen, überall waren Zeichen eines hastigen Aufbruchs zu sehen. Die Zelteingänge waren nicht ordentlich gesichert, Feuer brannten ohne Aufsicht herunter, Waffenständer waren hastig geleert worden, einige sogar umgekippt. Er bemerkte nur zwei Männer. Sie standen am Hauptfeuer, über dem noch mehrere dampfende Kessel hingen. Die Speere hatten sie neben sich in den Boden gerammt, um sich die
Hände am Feuer zu wärmen, während der Wind an ihren Mänteln zerrte.
Da er Thraun ohnehin nicht überreden konnte, außerhalb zu warten, ritt er einfach mitten hinein und vertraute darauf, dass die Wölfe nicht angriffen, solange er es nicht tat. Außerdem verliehen die fünf Wölfe hinter ihm seinen Fragen den nötigen Nachdruck.
Die Soldaten bemerkten ihn erst sehr spät, weil der rauschende Wind die Geräusche überdeckte und der grelle Feuerschein dunkle Schlagschatten warf. Als sie endlich auf ihn aufmerksam wurden, waren ihre Reaktionen komisch und vorhersehbar zugleich. Sie packten die Speere, wichen aber gleichzeitig zurück, als ihnen bewusst wurde, was da auf sie zukam. Sie wechselten einen Blick und schätzten die ihrer Ansicht nach hoffnungslose Situation ein. Zum Weglaufen war es zu spät, aber wenn sie kämpften, konnten sie nicht gewinnen.
Hirad zügelte sein Pferd und sprang herunter. Er spürte mehr, als dass er sah, wie Thraun ihm zum warmen Feuer folgte. Die Soldaten sagten nichts, sondern starrten an ihm vorbei zu den Wölfen.
»Ja, sie sind beeindruckend, was?«, sagte er, die Hand auf den Schwertknauf gelegt. »Aber sie sind nicht gefährlich. Nicht unbedingt.«
»Wollt Ihr was?«, fragte einer.
»Gut geraten. Der Rabe. Wo ist er?«
Erkennen flackerte in ihren Gesichtern, doch zugleich runzelten sie die Stirn.
»Wir haben gehört, Ihr wärt getötet worden«, sagte der zweite Soldat. Beide waren junge Männer. »Von Wölfen.« Er deutete auf Thraun.
»Wer das erzählt hat, der hat sich geirrt. Wo ist nun der Rabe?«
»Man hat sie nach Arlen gebracht. Ins Gefängnis.«
Hirad nickte bedächtig. Der Rabe saß im Gefängnis. Eine Demütigung, die er selbst mit heraufbeschworen hatte. Er schluckte seinen aufkommenden Ärger hinunter.
»Und Darrick? Wo ist eigentlich die Kavallerie? Angenommen jedenfalls, meine Vermutung ist richtig, und ihr kommt aus Lystern. Das Lager ist zu ordentlich, um von Dordovanern aufgebaut zu sein.«
»Es gibt Ärger in Arlen.« Wieder wechselten sie einen Blick. Hirad verstand. Immerhin waren sie Darricks Männer.
»Hört mal, ich weiß ja, dass ihr eure Befehle habt, aber egal, wie es auszusehen scheint, am Ende wollen wir alle das Gleiche. Sagt es mir. Ich werde dem General nicht verraten, woher ich es weiß, aber es könnte mir helfen, eine Menge eurer Kameraden zu retten, und ich habe keine Zeit, jetzt mit euch zu streiten.«
Sie zögerten einen Augenblick,
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