Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
dann zuckte einer mit den Achseln, und der andere ergriff das Wort.
»Die Kavallerie ist zum Hafen geritten. Der General glaubt, es habe einen Verrat gegeben. Er will die Meerulme sichern.«
»Ist das alles?«
Die beiden nickten, aber Hirad war schon wieder in Bewegung. Er drehte sich um, packte die Zügel seines Pferds und wandte sich noch einmal an die beiden Soldaten, als er sich in den Sattel schwang.
»Bei den brennenden Göttern, es ist noch viel schlimmer, als ihr glaubt. Die Dordovaner kommen von Süden, und die Protektoren sind direkt hinter ihnen. Wenn ihr Darrick eine Botschaft schicken könnt, dann unterrichtet ihn. Ihr wisst ja, wohin ich will.« Er ließ sein Pferd die
Hacken spüren. »Thraun, komm mit.« Er ritt im Galopp aus dem Lager, und die Wölfe folgten ihm.
Ren’erei wollte rufen und Erienne wissen lassen, dass sie alles tun werde, um die Magierin aus Seliks Gewalt zu befreien, doch sie wusste, dass sie besser still bleiben sollte. Alles andere hätte sie die Freiheit und vielleicht auch das Leben gekostet.
Die Schwarzen Schwingen hatten die Meerulme blitzschnell übernommen, und Ren’erei verfluchte sich selbst, weil Erienne in diese scheußliche Lage geraten war. Sie hatte jedoch so große Angst gehabt, und sie über Bord zu werfen, schien die einzige Lösung zu sein.
Ren’erei hörte Eriennes Schreie, als Selik sie aufs Deck zerrte. Sie betete, dass Tryuun überlebt hatte und aufpassen konnte. Der arme Tryuun, seine Furcht war sicher fast so groß wie die von Erienne.
Doch Ren’erei musste sich um dringendere Probleme kümmern. Das Wasser war kalt und wurde vom rasch auffrischenden Wind aufgewühlt. Die Gischt brannte in ihrem Gesicht. Das Leder zog schwer an ihrem Körper, und ihr Schwert, obschon leicht geschmiedet und der besseren Beweglichkeit wegen auf den Rücken geschlungen, vergrößerte noch ihr Gewicht und machte es ihr schwer, sich mit Wassertreten an der Oberfläche zu halten. Sie musste rasch nachdenken und die beiden verfügbaren Möglichkeiten gegeneinander abwägen.
Das Heck der Meerulme war wie bei allen Elfenschiffen leicht überhängend gebaut, doch man konnte, wenn man es richtig anfing, durchaus an dieser Seite hinaufklettern. Ihr wollte allerdings kein einleuchtender Grund einfallen, es zu versuchen. Allein konnte sie das Schiff nicht befreien, und während sie herumsaß und auf
irgendeine Chance wartete, konnte sie leicht geschnappt werden, woraufhin sie Erienne als Gefangene würde Gesellschaft leisten müssen.
Also schwamm Ren’erei fort und entfernte sich vom Heck der Meerulme, um ein Stück abseits im sicheren Fischereihafen wieder an Land zu gehen. Dort war sie außer Sichtweite der Schwarzen Schwingen. Es war klar, was sie planten. Erienne und die Meerulme gaben ihnen die Möglichkeit in die Hand, Lyanna zu erreichen.
Die Frage war allerdings, wie viel sie bereits wussten. Es war erschreckend, dass sie die Meerulme so leicht hatten einnehmen können. Ren’erei musste annehmen, dass sie in groben Zügen über das Ziel des Schiffs informiert waren oder mindestens wussten, dass es im Süden lag. Schließlich war der Verfall des Schirms der Al-Drechar der Grund dafür, dass sie hierher gereist waren, und ein kluger Magier war sicher fähig, die Störungen im Fluss des Mana richtig zu deuten.
Ren’erei kraulte mit kräftigen Zügen durchs Hafenbecken und glitt, ohne sich zu verausgaben, rasch durchs unruhige Wasser. Ein Stück vor sich sah sie schon den Fischereihafen, dessen aus Stein und Holz gebaute Liegehalle den relativ empfindlichen Jollen und Kuttern Schutz und ruhiges Wasser zum Ankern bot, seit die Stadt Arlen gegründet worden war. Selbst auf dem normalerweise ruhigen Wasser des Sees erzeugten die böigen Winde, die manchmal als Stürme von den Bergen herunterkamen, gelegentlich hohe Wellen und trieben die Fischereiflotte in einen sicheren Unterschlupf.
Am Ende des Wellenbrechers beschloss sie, bis ans Ufer zu schwimmen, statt im Windschatten der Hafenmauer über den Kies zu laufen. Der Wind fegte scharf übers Wasser und konnte sie im Nu bis auf die Knochen
auskühlen, wenn sie jetzt schon an Land ging. Als sie die dümpelnden Fischerboote sah, dachte sie an die Besitzer, die vermutlich eine schlaflose Nacht verbrachten und zu den Göttern der Meere beteten, dass die Boote unbeschädigt die Nacht überstanden.
Ein Stückchen vor dem Ufer musste Ren’erei wieder an Erienne und die Meerulme denken. Die Besatzung konnte den Schwarzen
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