Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
vorbei, doch er konnte hören, wie ein Stück entfernt in der Stadt die Protektoren den letzten Dordovanern den Garaus machten. Einige Leute, vermutlich Arlens Stadtwächter, wanderten ziellos zwischen den Leichen umher oder starrten die Brände an, die die nächtliche Kälte vertrieben. Der Regen hatte nicht nachgelassen, und der Wind heulte unablässig.
Hirad war erschöpft. Er war lange nicht mehr so gerannt und hatte lange nicht mehr so gekämpft; und auch wenn die Schlacht schnell vorbei gewesen war – es war anstrengend. Außerdem hatte er beobachten müssen,
wie der Unbekannte niedergemacht wurde, und jetzt sah er Ilkars aufgeregte Gesten, als Denser bei ihm landete. Es musste eine schwere Verletzung sein. Wahrscheinlich sogar tödlich, wenn ihm die Sprüche der Magier nicht halfen.
Hirad steckte sein Schwert in die Scheide und ging langsam weiter.
»Hirad!« Es war Aeb. Der Protektor kam zu ihm, seine Waffen steckten wieder in den Halterungen auf dem Rücken.
»Was ist?«
»Komm mit.«
Hirad blickte sich zu Ilkar und Denser um. Beide waren jetzt ruhig und konzentrierten sich auf die Sprüche, die sie wirkten. Hier konnte er nichts weiter tun. Er zuckte mit den Achseln. »In Ordnung.«
Aeb machte sofort kehrt. Als sie sich einer schwelenden schwarzen Masse näherten, richteten sich zwei andere Protektoren auf und zogen sich zurück.
Hirad runzelte die Stirn und sah genau hin. Er ging schneller, und schließlich entpuppten sich die schmorenden Umrisse als Wölfe. Der Regen zischte auf dem verbrannten Fleisch.
»Ich kann es nicht glauben«, murmelte er, doch Aeb hielt ihn zurück.
»Du kannst nichts mehr für sie tun. Du kannst aber etwas für den Gestaltwandler tun.«
Hirad starrte Aebs hölzerne Maske an.
»Wie bitte?«
»Der Gestaltwandler.« Aeb deutete auf eine Gestalt, die Hirad einfach nur für irgendeine Leiche gehalten hatte, die mit leerem weißem Gesicht den Himmel anstarrte.
»Bei den fallenden Göttern.«
Hirad rannte hinüber, schlitterte und fiel auf die Knie. Es war ihm egal, ob er sich mitten ins blutige Wasser setzte.
Unter einem übergeworfenen Mantel lag eine in Fötusstellung zusammengerollte Gestalt. Einen zweiten Mantel hatten die Protektoren unter ihn gelegt, damit der Körper nicht auskühlte.
Ein Urwald scheckiger brauner Haare wuchs auf dem Kopf, das Gesicht war mit einem weichen Pelz bedeckt, der etwa einen halben Finger lang war und nur die Nase und die geschlossenen Augen freiließ. Die Haut wirkte irgendwie alt, die Ohren waren lang und schienen eher einem Elf als einem Menschen zu gehören. Hirad legte eine Hand auf den zitternden Körper und ließ den Kopf hängen. Thraun.
»Ich hätte nie gedacht, dass wir dich noch einmal wiedersehen, alter Freund«, flüsterte er. »Bei den Göttern, musst du leiden.«
Der Barbar dachte einen Augenblick nach und schaute wieder zu Aeb auf, der seinerseits den Unbekannten anstarrte. Die stoische Ruhe, die der Protektor normalerweise zeigte, war verschwunden. Aeb ballte nervös eine Hand zur Faust und öffnete sie wieder.
»Wenn jemand ihn retten kann, dann sind es Denser und Ilkar«, sagte Hirad.
»Wir haben ihn im Stich gelassen.«
Hirad nickte. Er hatte Schuldgefühle. »Wir alle haben ihn im Stich gelassen.«
Noch einmal sah Hirad sich auf der Mole um. Die Kräne waren zerstört, die Lagerhäuser ausgebrannt, die Wege und Straßen ein Schauplatz des Todes. Es war kein Ort für kranke Männer.
»Wir müssen sie beide hier fortschaffen«, sagte er.
»Es gibt medizinische Einrichtungen in Arlen.«
»Die sind überfüllt, falls sie nicht zerstört sind«, widersprach Hirad. »Nein. Thraun kann auf normale Weise sowieso nicht geheilt werden, und außerdem gehören sie beide zum Raben. Ich kann sie nicht hier lassen.«
»Ich verstehe.«
Der Barbar schaute zum Schiff. Dort war alles ruhig. Unnatürlich ruhig. Was hatte Denser getan? Dann wurde es ihm klar.
»Hilf mir mit Thraun und bring deine Brüder mit. Es wird Zeit, an Bord des Schiffs zu gehen.«
Wortlos nickte Aeb und bückte sich. Er hob den in Mäntel gehüllten Thraun auf und legte ihn sich behutsam über die rechte Schulter. Dann stand er fast mühelos wieder auf.
»Kannst du ihn tragen?«
Aeb nickte und ging los.
»Bist du sicher?«
Thraun war ein großer Mann.
»Ja«, bestätigte Aeb. »Xye wird helfen, Sol zu tragen.«
Hirad trabte zu Ilkar und Denser hinüber. Irgendwo waren Hufschläge zu hören, die den allgemeinen Lärm aus der Stadt, den
Weitere Kostenlose Bücher