Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
blieb vor ihnen stehen. Sie hatten sich nicht verteilt, wie er es ihnen befohlen hatte. Die Nähe der Beute und das Blut hatten sie verführt. Jetzt lagen drei von ihnen am Boden, und einer taumelte. Ihr Fell brannte lichterloh, alle litten entsetzliche Qualen, alle starben. Thraun sah hilflos zu, wie das unnatürliche Feuer ihr Fell und ihr Fleisch zerfraß, ihnen die Stimmen nahm und die Körper lähmte. Endlich erwiderte einer von ihnen Thrauns Blick, und während der Wolf starb, konnte Thraun die Botschaft in den Augen lesen.
Verrat, ein falscher Tod.
Thraun setzte sich neben die brennenden Leichen und heulte. Die Feinde rings um ihn waren ihm egal. Es kümmerte ihn nicht, ob er angegriffen wurde oder nicht. Er hatte sein Rudel im Stich gelassen. Das Rudel existierte nicht mehr, und seine Instinkte hatten die Wölfe das Leben gekostet. Er hatte sie im Stich gelassen, genau wie er damals …
Eine lange verschüttete Erinnerung durchfuhr ihn wie ein Messerstich. Ein kleiner Mensch. Ein anderer Rudelbruder, mit weißem Tuch bedeckt, mit geschlossenen Augen, die Brust bewegte sich nicht mehr.
Thraun war zu verwirrt, um sich zu rächen oder zu fliehen. Er blieb, wo er war, der letzte Hüter seines toten Rudels, und sah zu, wie Beutetiere und Reiter sich träge um ihn bewegten, als besäße er jetzt Augen, die alles verlangsamten.
Mit jedem Herzschlag wurde ein Befehl in ihm deutlicher und drängender. Tief in seinem Innern entstand er, und Thraun wusste, dass er den Ruf nicht ignorieren konnte.
Erinnere dich.
Graf Arlen drehte sich im Sattel hierhin und dorthin und versuchte, ein wenig Ordnung zu schaffen. Er und seine Männer waren zwischen den tobenden Bränden und eingestürzten Gebäuden auf die Mole gestürmt und unversehens mitten in eine erbitterte Schlacht geraten. Die Kavallerie der Kollegien kämpfte gegen die Protektoren, und die Wildheit der Kämpfe, die auf dem Pflaster seines Hafens stattfanden, war schockierend. Männer brüllten, Pferde kreischten, auf allen Seiten knallten Sprüche, trafen auf Schilde oder gingen auf hilflose Opfer nieder.
Der Gestank von verkohltem Holz und Fleisch trieb seinen Männern trotz des strömenden Regens die Tränen in die Augen. Schwerter klirrten gegeneinander oder auf Rüstungen, und im Feuerschein lief das Blut in riesigen, vom Regen verdünnten Lachen ins Hafenbecken. Männer und Pferde rannten durch die Pfützen, dass es nur so spritzte, und stellten sich ihren Gegnern.
Die Meerulme hatte das Hafenbecken verlassen und steuerte mit prallen Segeln den See an. Links vor den zerstörten, eingestürzten Lagerhäusern, aus denen die Flammen hundert Fuß hoch in den Himmel schossen, fand in unmittelbarer Nähe der Calaianische Sonne ein weiterer erbitterter Kampf statt. Es herrschte ein ohrenbetäubender Lärm, der Anblick war entsetzlich, und Graf Arlen hatte keine Ahnung, wie er dem Einhalt gebieten sollte.
Die Einwohner, die ihn umringten, hielten inne. Der Anblick des Todes hatte ihnen jeglichen Mut genommen. Einige waren sogar fortgerannt, und Arlen konnte es ihnen nicht verdenken. Nur seine Wächter hatten sich zu einer ordentlichen Formation aufgestellt und waren von zwei Seiten her angegriffen worden. Einige waren von Protektoren getötet worden, die sich den Rückweg zum Stadtzentrum freikämpfen wollten, andere von den Dordovanern, die entschlossen schienen, sie aufzuhalten. Schließlich hatte Graf Arlen sich zurückgezogen, und jetzt schauten ihn die Überlebenden Hilfe suchend an.
Einer der Männer, die er ausgesandt hatte, um herauszufinden, wie weit die Kämpfe auf die Stadt übergegriffen hatten, kam atemlos gerannt.
»Berichte«, befahl Graf Arlen.
»Es ist überall das Gleiche«, meldete der Bursche, der höchstens zwanzig war und offenbar Todesängste ausstand. »Bis zum Gefängnis und bis hin zum Salzviertel brennt es. Eine Seite des Jahrhundertplatzes steht in Flammen, das Feuer wird vom Wind weitergetragen. An einem Dutzend Stellen wird gekämpft.« Er hielt inne und keuchte schwer. »Die Protektoren ziehen durch die ganze Stadt, und die dordovanischen Magier decken sie von Dächern und aus Fenstern mit Sprüchen ein. Unsere Leute
fliehen. Hunderte laufen nach Norden zur Burg, aber ich glaube nicht, dass sie dort bleiben werden. Ich glaube, die ganze Stadt zerfällt. Was sollen wir tun, mein Lord?«
Arlen hätte ihn beinahe angebrüllt, dass er es selbst nicht wüsste. Dass es keine Möglichkeit gab, diese unkontrollierten Kämpfe
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