Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
dazu?«
»Wenn Ihr mich darum bittet, General, dann will ich es tun.«
»Danke, Izack.« Darrick entspannte sich ein wenig und stützte sich auf die Reling. »Passt auf Euch auf. Lystern wird Euch brauchen.«
Izack nickte. »Was soll ich sagen, wenn ich nach Eurem Verhalten heute Abend gefragt werde?«
»Sagt ihnen die Wahrheit.« Darrick richtete sich wieder auf. "Viel Glück, Izack. Wir sehen uns sicher bald wieder.«
»Das will ich doch hoffen, Sir. Viel Glück auch für Euch.«
Er zog sein Pferd herum und führte seine Männer fort. Sie ließen ein verschnürtes Bündel auf der Mole liegen. Hirad sah den Griff des Zweihandschwerts herausragen, das dem Unbekannten gehörte. Er betete, dass er eines Tages wieder die Spitze auf den Boden tippen hörte.
Inzwischen versuchten sie nicht einmal mehr, den Schild aufrechtzuerhalten. Ephemere wusste, dass ihre
Feinde kamen. Die Frage war nur noch, ob Hilfe vor ihnen eintraf. Wie ein Vulkanausbruch – und für einen aufmerksamen Magier ebenso offensichtlich – brodelte das Mana aus Lyannas Bewusstsein. Mit jeder Stunde wurden die Zerstörungen, die dadurch entstanden, umfangreicher.
Inzwischen war die Anstrengung für sie so groß geworden, dass immer nur eine von ihnen bei Lyanna wachen konnte, während die anderen schliefen oder die Brühe zu sich nahmen, die von den Elfen der Gilde für sie zubereitet wurde. Die Elfen versuchten zu lächeln, doch Ephemere konnte sehen, wie behutsam sie mit ihnen umgingen, und sie durchschaute die freundlichen Lügen, wie gut sie sich schlugen.
Ephemere saß mit der Lemiir-Pfeife im Esszimmer. Im benachbarten Vorraum hatte sich Myriell bei Lyanna niedergelassen. Es war sinnlos, sie in ihrem eigenen Schlafzimmer zu lassen. Die Kleine bemerkte es in ihrem derzeitigen Zustand ohnehin nicht, und so war es wenigstens für die sterbenden Hüterinnen ein wenig leichter.
Das Gesicht der alten Al-Drechar verzog sich zu einem unsicheren Lächeln, als sie einen tiefen Zug aus der Pfeife nahm. Die Kräuter vertrieben die schlimmsten Schmerzen, die sie sonst in jedem wachen Augenblick spürte. So viele Stunden hatten sie hier zu viert gesessen und gestritten, geredet, gescholten und gehofft. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie glücklich diese Zeit gewesen war.
Das Lächeln verschwand. Seit fünf Tagen hatte sie auf dem Weg nach draußen kaum mehr als ein aufmunterndes Wort mit Aviana gewechselt oder Myriell auf dem Weg zu Lyanna einen ruhigen Schlaf gewünscht. Cleress hatte sie die ganze Zeit über gar nicht mehr gesehen. Mit jedem Tag, der verging, wurden sie schwächer, und es
sah keineswegs danach aus, als sollte Lyannas Nacht bald vorbei sein.
Ihr einziger Trost war, dass ein neues Stadium begonnen hatte, aber diese Entwicklung bedeutete vorerst nur, dass sich das Elend noch verschlimmerte. Bisher hatten die ungezielten Ausbrüche von Lyannas Begabung ihre Heimat Balaia getroffen, doch inzwischen hatte die Reichweite zugenommen, und jetzt war auch Herendeneth betroffen. Dies zeigte, dass das Unterbewusstsein des Mädchens an Verständnis, Kontrolle und Zielstrebigkeit gewonnen hatte, doch die Folge war, dass der ganze Archipel aus heiterem Himmel von Unwettern heimgesucht wurde.
Die Winde waren keine einzelnen, wütenden Ausbrüche mehr, die in Lyannas Träumen entstanden. Jetzt zuckten die Blitze unablässig zu Boden, die Wellen schlugen ans Ufer und schwappten fast bis zum Haus hinauf, der Wind donnerte unermüdlich an die Läden, an die Fenster und die Mauern, und wenn Wolken aufzogen, dann fiel ein unglaublich heftiger Regen, der im höheren Gelände Flüsse entstehen ließ. Auf dem Rückweg ins Meer rauschte das Wasser mitten durchs Haus.
Der Geruch von feuchtem Holz, modrigen Teppichen und nassen Balken erinnerte ständig daran, wer im Reich der Al-Drechar die Elemente beherrschte. Ephemere seufzte. Wie dumm sie doch gewesen waren. Sie waren Jahrhunderte alt und doch in die Falle getappt, hatten ihre eigenen Fähigkeiten überschätzt. Noch schlimmer, sie hatten die zerstörerische Kraft von Lyannas unausgebildetem, aber erwachendem Geist unterschätzt. Der einzige Trost war, dass sie, selbst wenn sie es gewusst hätten, kaum etwas hätten ändern können. Aber wenigstens hätten sie dann ein wenig besser vorbereitet begonnen.
Es hätte das Sterben ein wenig angenehmer gemacht.
Die alte Elfenfrau nahm noch einen Zug aus der Pfeife und stellte sie in den Ständer zurück. Sie würde bald für Myriell neu gestopft und
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