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Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit

Titel: Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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angezündet werden. Als sie die Augen wieder öffnete, ohne sich genau zu erinnern, wann sie sie überhaupt geschlossen hatte, sah sie zwei Elfen der Gilde links vor sich stehen. Schuldbewusst gestand sie sich ein, dass sie nicht einmal den Namen der beiden wusste. So nickte sie nur zustimmend, dass es Zeit wurde.
    Die jungen Elfenmänner schoben ihren Stuhl zurück und halfen ihr, einer zu jeder Seite, auf die Beine. Quälend langsam schlurfte sie zur Tür. Sie war fest entschlossen, sich nicht tragen zu lassen, wie es Aviana schon dreimal geschehen war. Natürlich war das dumm, aber manchmal waren diese kleinen Kämpfe alles, was sie noch auf den Beinen hielt.
    Einer der Elfen öffnete die Tür des improvisierten Schlafzimmers, und sie betraten den von gedämpften Lampen erhellten Raum. Links waren die Fenstervorhänge einen Spalt geöffnet. Diese Ecke des Gebäudes war etwas geschützt, und wenn draußen ein Sturm tobte, wehte hier nur eine kleine Brise durch den Raum. Es musste bald hell werden, doch die Vorhänge blieben geschlossen. Das war besser für die Konzentration.
    Lyanna lag auf dem Rücken auf dem Bett, das sie ihr hier hereingestellt hatten. Das Mädchen hatte die Augen seit sechs Tagen nicht mehr geöffnet. Sie war in einen Tiefschlaf gefallen, kaum dass Erienne aufgebrochen war, um Denser und den Raben zu finden. Ihre Lieblingspuppe und ein Glas Wasser warteten neben ihrem Bett. Symbole der Hoffnung und des Glaubens, dass sie ihre Nacht wohlbehalten überstehen würde. Doch das
unberührte Wasser war mehrmals ausgewechselt worden, und die Puppe verstaubte.
    Die Elfen halfen Ephemere aufs Bett. Sie setzte sich auf die Bettkante und beugte sich vor, um Lyannas Haare zu streicheln. Ihr Gesicht war im Augenblick kühl und trocken, doch das nächste Zucken, wenn ihr ganzer Körper sich aufbäumte, war nie fern. Sie wurde von Phantomen gequält, gegen die nicht einmal die Al-Drechar etwas ausrichten konnten.
    Die Elfen der Gilde waren unermüdlich. Sie wuschen Lyanna täglich, wechselten die verschmutzten Bettlaken und fütterten sie im Schlaf mit Suppe, indem sie den Schluckreflex durch Massage des Halses auslösten.
    »Armes Kind«, flüsterte Ephemere. Sie gab Lyanna einen Kuss auf die Stirn und bedeutete den Elfen mit einer Geste, dass sie ihr gegenüber sitzen wollte.
    Die Elfen halfen ihr auf ein zweisitziges Sofa, wo sie sich neben Myriell niederließ. Dann winkte sie den Elfen, dass sie sich zurückziehen konnten. Sie hörte das leise Klicken, mit dem die Tür geschlossen wurde, nahm sich zusammen und sprach ein Stoßgebet, sie möge noch lange genug leben, um die Berührung von Avianas Geist zu spüren, wenn ihre Schwester kam, um sie abzulösen. Im Augenblick war es an ihr, Myriell abzulösen. Sie stimmte sich aufs Mana-Spektrum ein und stellte sich dem Sturm.
    Sobald sie sich Lyannas Geist und dem Schild näherte, den Myriell ringsherum aufgebaut hatte, waren die Stürme draußen im Vergleich kaum mehr als ein Hauch auf ihrer Wange. Der Regen und der Donner waren weit entfernte, harmlose Echos, und die mächtigen Blitze waren nicht mehr als das Flackern einer einzigen flackernden Kerze.

    Ephemere stellte sich vor, wie sich im Mana-Sturm ihre Gesichtshaut spannte, wie das Haar hinter ihr flatterte und wie der Sturm ihre Augen tränen ließ. Richtungslos, aber hoch konzentriert verflochten sich die Ströme und zuckten wie Peitschen vorbei. So entstand ein endloser Tunnel mit dunkelbraunen, weiß gestreiften Wänden, in dem immer wieder gelbe, orangefarbene, grüne und tiefblaue Blitze zuckten. Durch diesen Tunnel stürzte Ephemere dem Zentrum entgegen.
    Sie war allerdings nicht völlig hilflos. Im Tunnel gab es ein Licht, ein schwaches, pulsierendes Licht. Myriells Bewusstsein. Ephemere kämpfte sich heran und schob eine Blase aus schützendem Mana vor sich her, mit dem sie die brüllende, heulende Magie des Nachtkindes daran hinderte, sie zu zerstören.
    Sie sehnte sich nach der Wärme des Kontakts, und die Sehnsucht trieb sie weiter, bis sie ihre Schwester gefunden hatte und nahtlos mit ihr verschmolz. Sie spürte, dass die Freude bei der Berührung erwidert wurde. Ephemere spürte auch Myriells Erschöpfung, doch stärker noch die Entschlossenheit, Lyanna nicht im Stich zu lassen. Sie richtete sich ein, nahm Myriell einen Teil der Last ab und schnaufte schwer, als der Gedankenschild, den sie um Lyanna legte, in Stücke zu gehen drohte. Sie setzte ihre ganze Willenskraft ein und gab mehr

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