Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
seine Organe und sein Körper werden sich weiter umwandeln, aber wir sind nicht sicher.«
»Könnt ihr ihn am Leben erhalten?«, fragte Hirad.
»Das ist kein Problem. Wir müssen uns nur Klarheit verschaffen, was für ein Leben es sein soll. Bei den fallenden Göttern, sein Bewusstsein muss ein absolutes Chaos sein. Wir können nur raten, wie viel von seiner menschlichen Psyche und seinen Erinnerungen er noch besitzt. Er wird viel Hilfe brauchen.«
»Dann sollten wir also dafür sorgen, dass ein paar von uns überleben, damit wir uns um ihn kümmern können«, sagte Hirad.
»Allerdings«, stimmte Ilkar zu.
»Es ist doch unglaublich, oder? Thraun ist wieder bei uns. Als hätte das Schicksal es so gewollt.«
»Wie meinst du das?«, wollte Ilkar wissen.
»Seit einigen Wochen finden wir wieder zusammen. Irgendwie fühlt es sich an, als sei der Rabe niemals wirklich untergegangen. Ich hätte allerdings nie geglaubt, dass wir Thraun wiedersehen. Er ist uns aus dem Dornenwald gefolgt, es kann nicht anders sein. Und jetzt hat er sich wieder zurückverwandelt. Das ist doch kaum zu glauben, oder?«
»Das ist richtig«, stimmte Ilkar zu. »Wenn ich dir nur
etwas Hoffnungsvolles über ihn sagen könnte. Oder über irgendeinen anderen von uns.«
»Kaum möglich«, erwiderte Hirad, und die Unbeschwertheit verflog. »Was tun wir jetzt?«
»Ich weiß nicht, was du noch vorhast, Hirad, aber es ist mitten in der Nacht, und ich bin erledigt«, sagte Ilkar.
Hirad nickte. Obwohl sich das Schiff unter ihnen bewegte, war er sicher, an Ort und Stelle einschlafen zu können. Schon der Gedanke ließ ihn herzhaft gähnen.
»Wie ich sehe, bist du meiner Meinung«, fügte Ilkar hinzu.
»Und ob.« Hirad stand auf und streckte sich. »Komm schon, General, du auch.«
»Gute Idee.«
Als Ilkar an der Tür an ihm vorbeikam, musste Hirad grinsen. Ihm fiel etwas ein, und er ergriff die Chance, den Freund etwas aufzumuntern.
»Ich sag dir was, Ilks, diese Ren’erei, die sieht schon gut aus, was?«
Ilkar starrte ihn an. »Sie ist nicht übel«, stimmte er zu.
»Wäre sie nicht was für dich? Ein gut aussehender Elf wie du, berühmt und leitender Magier in Julatsa. Das könnte die Reise in den Süden doch erheblich angenehmer machen.«
Ilkar schüttelte den Kopf. »Nur du, Hirad Coldheart«, sagte er. »Nur du kannst in so einer Situation an Sex denken.«
Hirad zuckte mit den Achseln und ging über den Flur in Richtung ihrer Kabinen und Kojen.
»Träum was Schönes, Ilkar.«
29
Am ganzen folgenden Tag musste die Calaianische Sonne gegen den starken Wind ankämpfen, der die See mitunter zu fast dreißig Fuß hohen Wellen aufpeitschte. Jevin setzte mehr Segel, als er eigentlich verantworten konnte, und verließ für keine Minute das Ruderdeck. Ständig suchte er den von Blitzen durchzuckten Himmel und die brodelnden dunklen Wolken nach Hinweisen ab und beobachtete die Segel, ob sich Schwierigkeiten ankündigten. Er war besorgt, weil der unberechenbare Wind immer wieder die Richtung wechselte.
Ren’erei war die meiste Zeit bei ihm geblieben, hatte ihm geschmeichelt und ihn ermuntert. Darrick hatte sich gedankenverloren zurückgezogen, stand einsam auf dem Deck herum oder legte sich in seine Koje im vorderen Bereich des Schiffs, das eigentlich für die dordovanischen Kommandanten vorgesehen gewesen war. Die Protektoren ließen sich kaum blicken. Sie blieben im Laderaum, nur hin und wieder erschien einer von ihnen und bat um Essen oder heißes Wasser. Für sie war es eine Zeit der Ruhe.
Es war Nachmittag. Hirad packte die vordere Reling mit einer Hand und stützte mit der anderen Hand Ilkar, der sich wieder einmal vorbeugte und würgte. Vor Anstrengung zitterte der Elf am ganzen Körper, sein Gesicht war feucht von der Gischt und vor Schweiß. Es war ein übler Tag für den Julatsaner gewesen, doch seine Hauptsorge galt nicht seinem unmittelbaren Zustand. Der Elf fürchtete, seine Übelkeit könne nachteilige Auswirkungen auf seine Mana-Reserven haben – und natürlich auch auf seine Fähigkeit, sich zu konzentrieren und brauchbare Sprüche zu wirken. Sie waren auf ihn angewiesen, wenn sie eine Chance haben wollten, Erienne zu retten.
Für Hirad war dies nur ein weiteres Problem auf einer sich ständig verlängernden Liste. Seine Anregung, Denser könne die Protektoren mit Schattenschwingen ausstatten, war bereits verworfen worden. Auch ohne Ilkars Seekrankheit war es schon sehr anstrengend, Thraun und den Unbekannten am Leben und
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