Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
sich hatten, da sie inzwischen sehr langsam fuhren. Die Segeljollen waren bei dieser Witterung schwieriger zu bedienen, kämen aber wahrscheinlich etwas schneller voran.
Auf Deck standen Matrosen auf Freiwache, der Rabe und die Protektoren herum. Niemand außer dem Koch war noch unter Deck, und selbst er hatte Befehl, an Deck zu kommen, wann immer er seine Töpfe einen Moment allein lassen konnte. Jevin war sichtlich nervös und wollte, dass alle bereit waren, falls sie auf Grund liefen. Neben den Matrosen, die mit Bleiloten das Fahrwasser maßen, das ihren Rufen nach nur wenige Fuß tiefer war als der
Kiel des Schiffs, standen Protektoren bereit, um unter Anleitung von Elfen sofort die Boote zu Wasser zu lassen.
Auf einmal bebte das Schiff und wurde stark abgebremst. Ein Knirschen lief schrecklich langsam unter ihnen den ganzen Kiel entlang und wurde verstärkt, als die Schiffsbalken die Schwingung übertrugen. Aller Augen suchten das Meer ab, die Matrosen mit den Loten schüttelten die Köpfe. Die Schwingungen setzten sich fort.
»Haltet sie gerade«, sagte Jevin mit gepresster Stimme. Er hatte die Reling so fest gepackt, dass seine Knöchel weiß anliefen.
Ren stand neben ihm und wartete, dass aus dem Schleifen jenes Knacken und Splittern wurde, das der Kapitän fürchtete. Eine Ewigkeit lang rutschten sie über den Meeresboden, manchmal schwer und manchmal von der leichten Dünung fast befreit. Doch es gab kein Splittern, und nirgends brach das Wasser durch ein Leck ins Schiff. Schließlich hörte das Knirschen auf.
Jevin wandte sich mit bleichem Gesicht an Ren’erei. Er schnaufte schwer.
»Das war Sand«, sagte er leise. »Aber beim nächsten Mal könnte es etwas anderes sein. Wie weit ist es noch?«
»Nicht mehr weit«, erwiderte Ren, obwohl sie es selbst nicht genau wusste. Auch sie zitterte. »Es wird schon gut gehen, wir können uns auf sie verlassen.«
»Vorausgesetzt, der Kapitän ist noch am Leben«, sagte Jevin. »Ich will das meiner Mannschaft nicht länger zumuten, und meinem Schiff auch nicht. Auf was für ein Zeichen wartet Ihr eigentlich?«
Ren wollte schon mit einem Achselzucken antworten, doch als sie wieder zur Meerulme blickte, begann sie zu strahlen.
»Das da«, sagte sie. »Das ist es.«
Selik stürmte aufs Ruderdeck, zwei seiner Handlanger folgten ihm.
»Ihr solltet einen guten Grund nennen können, warum Ihr den Kurs gewechselt habt«, knirschte er und versetzte dem Kapitän einen Stoß.
»Ihr habt die Kanäle gesehen, und Ihr habt gehört, wie die Tiefen gemeldet wurden«, entgegnete der Kapitän. »Wir kommen nicht ans Ziel, wenn wir geradeaus fahren.«
»Ihr lügt«, sagte Selik. »Ich sehe es in Euren schrägen Elfenaugen. Bringt das Schiff wieder auf Kurs. Glaubt Ihr denn, ich bin blind?«
»Nein, aber solange Ihr über die Durchfahrtstiefen des Kanals, den wir gerade verlassen haben, keine besseren Informationen habt als ich, würde ich vorschlagen, dass Ihr mich meine Arbeit tun lasst. Warum sollte ich Euch eigentlich in die Irre führen? Ich bringe Euch gern zur Insel. Ich freue mich darauf, dass Ihr dort bald bestattet werdet.«
Selik trat etwas zurück und dachte nach. »Ihr müsst mich für dumm halten«, sagte er leise. »Wie lange dauert es, bis wir wieder wenden?«
»Einen halben Tag«, sagte der Kapitän. »Es hängt vom Wind ab. Wenn Ihr mir nicht glaubt, dann tötet mich und steuert das Schiff selbst ans Ziel.«
Seliks Augen funkelten kalt.
»Das ist ein Zeichen?«, fragte Jevin.
»Ja«, sagte Ren. »Weil es eigentlich geradeaus geht. Wir müssten erst hinter der nächsten Insel wieder abbiegen.«
Jevin nickte. »Ich verneige mich vor Eurem Wissen. Was wollen wir jetzt tun?«
»Wenn Ihr könnt, dann segelt bis zu der Stelle, an der sie abgebogen sind. Dreht dort bei, dann setzen wir die Boote aus, die wir brauchen, und fahren weiter. Ihr könnt entweder der Meerulme folgen, bis Ihr ruhiges Wasser findet und Euch verbergen könnt, oder Ihr fahrt zurück. Ich kenne keinen anderen Weg aufs Meer hinaus. Ihr müsst es selbst entscheiden.«
»Was liegt da auf der Backbordseite?«
»Eine Insel hinter der anderen. Auf jenem Weg könnt Ihr Herendeneth nicht erreichen, aber Ihr werdet eine Tagereise entfernt eine Lagune finden, in der Ihr sicher ankern könnt. Dort könnt Ihr Euch verstecken und ausruhen. Aber haltet Euch dicht an der Küste auf der Steuerbordseite. Das Schelf fällt direkt vor der Küste der Inseln steil ab. Die Backbordseite ist voller
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