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Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit

Titel: Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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nicht mehr die Gelegenheit bekommen, es herauszufinden.«
    Als der Dolch nach oben stach und einen kleinen Moment lang ein scharfer Schmerz in seinem Kopf tobte, wusste der Kapitän, dass Selik ihm bald folgen musste, wenn die Götter der See ihn zu sich nahmen.
    Sie würden ihr Urteil fällen und Vergeltung fordern.

35
    Die Fahrt war gelegentlich schwierig, aber nie wirklich gefährlich. Die Protektoren waren auf ihre Muskelkraft angewiesen, die Ruder stachen perfekt synchronisiert ins kabbelige Wasser, während der Rabe mit prallem Segel rasch den Kanal hinunterfuhr und die anderen Boote bald hinter sich ließ.
    Links erhoben sich steile Klippen, die sich teilweise in niedrige Wolken hüllten, rechts lag eine zackige Reihe kleiner Felsinseln. Der Wind pfiff quer über das Boot und zwang den Raben, sich auf die Steuerbordseite zu setzen, um die Schräglage auszugleichen.
    Mit einer Hand am Großschot und der anderen an der Ruderpinne segelte Denser unter den wachsamen, aber billigenden Blicken des Unbekannten, der mit einer Hand am Mast oder am Hauptstag die ganze Zeit aufrecht stand.
    Densers Herz raste, und in seinem Kopf wechselten Erregung und Sorge miteinander ab. Es war schön, so schnell zu fahren. Sie eilten zu Lyanna, zu seiner Tochter, die er so lange nicht mehr gesehen hatte. Durch sie würde
er jedoch Erienne verlieren. Er blickte sie an. Sie saß rechts neben ihm, eine Hand aufs Dollbord und die andere auf seine Schulter gelegt und starrte ihn unter der Kapuze ihres Umhangs hervor an.
    Er lächelte, und sie drückte leicht seine Schulter und massierte sie durch den schweren Mantel. Er nickte nur, sprechen konnte er nicht. Sie waren in den letzten Tagen unzertrennlich gewesen und hatten eine Nähe und Verbundenheit gespürt wie noch nie.
    Die Ursache war vor allem ihre Verzweiflung, doch das war bei weitem nicht alles. Es war das Gefühl, dass sie das Richtige taten, weil sie es tun mussten, und dass ihre Liebe in Lyanna weiterleben würde, auch wenn sie für immer voneinander Abschied nehmen mussten. Denser war allerdings jetzt schon sicher, dass er nie darüber hinwegkommen würde, Erienne verloren zu haben.
    Sie hatten sich längst ausgeweint. Es war unwichtig, was hätte sein können oder sollen. Sie konnten keine Pläne mehr schmieden und nicht mehr träumen. Jetzt mussten sie sich mit der Realität auseinander setzen, und Denser musste sich darauf konzentrieren, seine Tochter zu retten, damit seine Frau für sie sterben konnte.
    Er wandte den Blick ab, stellte die Ruderpinne ein wenig nach und reffte das Hauptsegel, als die Böen stärker wurden. Es war jetzt nicht mehr weit.
    Als der Nachmittag allmählich in die Abenddämmerung überging, konnte der Rabe einen ersten Blick auf Herendeneth werfen. Zuerst sah die Insel aus wie eine nackte, unüberwindliche Felswand, doch in der grauen Fläche lugten überall grüne Flecken hervor. Die Pflanzen wirkten unnatürlich, wie abgeschnitten, und bewegten sich im Wind.

    Erienne holte tief Luft. »Die Illusion bricht überall zusammen. Ich bin sicher, dass man das Haus inzwischen auch aus der Luft sehen kann.«
    »Wir müssen die Lage erkunden«, sagte der Unbekannte.
    »Flieg doch hoch und sieh dich um, Liebste«, schlug Denser vor. »Sage Bescheid, dass wir kommen, und verbringe noch etwas Zeit mit Lyanna, bevor wir beginnen müssen.«
    Erienne strahlte. »Das ist eine schöne Idee.«
    »Gelegentlich habe ich auch gute Ideen«, meinte Denser.
    Erienne erhob sich halb, umarmte ihn und küsste ihn leidenschaftlich.
    »Was für ein widerliches Schauspiel«, sagte Hirad breit grinsend.
    »Aber sicher doch«, entgegnete Denser. Er löste sich von Erienne und zog die Ruderpinne zurück, die Erienne weggestoßen hatte.
    Sie richtete sich auf, bereitete den Spruch vor und flog hoch. Sie schwebte hinter Denser und beugte sich noch einmal hinunter, um ihn von oben auf den Kopf zu küssen.
    »Beeilt euch«, sagte sie.
    Er langte hinauf und legte eine Hand an ihre Wange. »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
    Niedrig und geschützt vor dem schlimmsten Wind, der oben über die Klippen fegte, flog sie nach Süden. Bald war sie nur noch als kleiner Punkt am düsteren Himmel zu sehen. Denser sah ihr nach. Er war eifersüchtig, dass irgendjemand anders außer ihm selbst ihre Liebe bekommen sollte. Selbst wenn es seine Tochter war.

    »Hör mal, Ilkar«, sagte der Unbekannte, der den grüngesichtigen Elfenmagier beobachtet hatte. »Könntest du dich vielleicht hinter uns

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